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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Ist er nicht auch nach Königsberg gereist, zu Ihrer Frau Mutter, um sie um die Erlaubnis zu bitten, die Stieftochter von Mme. Achmakowa heiraten zu dürfen? Und gestern hat er mich zu seiner Bevollmächtigten und Konfidentin erwählt, das ist doch etwas Ähnliches!«
    Sie war ein wenig blaß. Ihre Ruhe war nichts anderes als auf die Spitze getriebener Sarkasmus. Oh, ich habe ihr in dieser Minute, da ich nach und nach das Ganze zu durchschauen begann, manches verziehen. Eine Minute lang überlegte ich; sie schwieg und wartete.
    »Wissen Sie was?« Plötzlich lächelte ich. »Sie haben den Brief deshalb übermittelt, weil er für Sie keinerlei Risiko bedeutete, denn diese Ehe ist ausgeschlossen, aber er? Und schließlich auch sie? Selbstverständlich wird sie seinen Antrag ablehnen … und dann … was kann dann alles passieren? Wo ist er jetzt, Anna Andrejewna?« schrie ich. »Jetzt ist jede Minute kostbar, jede Minute muß man mit einer Katastrophe rechnen!«
    »Er ist zu Hause, ich habe es Ihnen doch gesagt. In seinem gestrigen Brief an Katerina Nikolajewna, den ich übermittelt habe, hat er sie um ein Gespräch in seiner Wohnung gebeten, in jedem Fall, heute, Punkt sieben abends. Sie hat es versprochen.«
    »In seiner Wohnung? Wie ist das möglich?«
    »Warum denn nicht? Diese Wohnung gehört Nastassja Jegorowna: Die beiden können sich ohne weiteres bei ihr treffen als ihre Gäste …«
    »Aber sie fürchtet ihn … er kann sie töten!«
    Anna Andrejewna lächelte nur.
    »Katerina Nikolajewna hegt schon seit langem, ungeachtet ihrer Angst, die auch mir aufgefallen ist, eine gewisse Ehrfurcht und Bewunderung für Andrej Petrowitschs edle Grundsätze und seinen erhabenen Geist. Dieses Mal hat sie sich ihm anvertraut, um sich endgültig von ihm zu trennen. In seinem Brief hat er ihr das feierlichste, das ritterlichste Ehrenwort gegeben, daß sie nichts zu befürchten habe … kurz, ich erinnere mich nicht an den Wortlaut dieses Briefes, aber sie hat sich ihm anvertraut … sozusagen zum letzten Mal … diesen Brief mit den sozusagen höchsten Gefühlen erwidernd. Man könnte von einem ritterlichen Kampf von beiden Seiten sprechen.«
    »Aber der Doppelgänger, der Doppelgänger! …« rief ich. »Er ist doch jetzt wahnsinnig!«
    »Als Katerina Nikolajewna gestern das Versprechen gab, zu diesem Rendezvous zu erscheinen, hat sie wahrscheinlich mit einer solchen Möglichkeit nicht gerechnet.«
    Plötzlich drehte ich mich auf dem Absatz um und rannte davon … Zu ihm, zu ihnen beiden, selbstverständlich! Aber aus dem Salon kehrte ich noch einmal um, für eine Sekunde.
    »Aber Ihnen kann vielleicht gar nichts Besseres geschehen, als daß er sie umbringt!« rief ich und rannte aus dem Haus.
    Obwohl ich am ganzen Leib wie in einem Anfall zitterte, schlich ich in die Wohnung ganz leise, durch die Küche, und bat dort flüsternd, Nastassja Jegorowna herauszurufen, aber sie war von selbst herausgekommen und durchbohrte mich wortlos mit einem brennend fragenden Blick.
    »Sie sind, wenn’s beliebt, sie sind nicht zu Hause.«
    Aber ich flüsterte ihr ohne Umschweife und exakt mit atemloser Geschwindigkeit zu, daß mir alles bereits durch Anna Andrejewna bekannt sei und ich auch geradewegs von Anna Andrejewna käme.
    »Nastassja Jegorowna, wo sind sie?«
    »Sie sind im Salon, wenn’s beliebt; dort, wo Sie vorgestern saßen, am Tisch.«
    »Nastassja Jegorowna, lassen Sie mich dorthin!«
    »Wie soll das gehen, wenn’s beliebt?«
    »Und wenn nicht dorthin, so doch ins Nebenzimmer. Nastassja Jegorowna, Anna Andrejewna wünscht das womöglich selbst. Wenn sie es nicht wünschte, hätte sie mir nicht gesagt, daß sie hier sind. Sie werden von mir nichts hören … Anna Andrejewna selbst wünscht es …«
    »Und wenn sie es nicht wünscht?« Nastassja Jegorowna wandte ihren bohrenden Blick nicht von mir ab.
    »Nastassja Jegorowna, ich denke an Ihre Olja … lassen Sie mich durch.«
    Plötzlich zitterten ihre Lippen und ihr Kinn:
    »Mein Guter, nur um Oljas willen … deines Gefühls wegen … Laß du Anna Andrejewna nicht im Stich, du Guter! Wirst du sie nicht im Stich lassen? Nein?«
    »Ich lasse sie nicht im Stich!«
    »Gibst du mir auch dein großes Ehrenwort, daß du nicht zu ihnen reinläufst und nicht schreist, wenn ich dich dort hinstelle?«
    »Ich schwöre es bei meiner Ehre, Nastassja Jegorowna!«
    Sie packte mich am Rock, führte mich in ein dunkles Zimmer, das an den Raum, in dem sie saßen, grenzte, führte

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