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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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dis bien .«
    »Ich werde Pjotr Ippolitowitsch holen.« Anna Andrejewna stand auf. Ihr Gesicht strahlte vor guter Laune: Sie sah, wie liebevoll ich mit dem alten Mann umging, und freute sich. Aber kaum hatte sie das Zimmer verlassen, als das ganze Gesicht des alten Herrn sich augenblicklich veränderte. Er blickte hastig zur Tür, sah sich nach allen Seiten um, beugte sich von dem Sofa zu mir herüber und flüsterte mir mit erschrockener Stimme zu:
    »Cher ami! Oh, wenn ich sie beide hier vereint sehen könnte! Oh, cher enfant!«
    »Fürst, beruhigen Sie sich …«
    »Ja, ja, aber … wir tun alles, damit sie sich aussöhnen, n’estce pas? Das ist doch ein bedeutungsloser kleinlicher Streit zweier würdigster Frauen, n’est-ce pas? Ich setze alle meine Hoffnungen auf dich allein … Wir wollen das alles in Ordnung bringen; und was ist das hier für eine merkwürdige Wohnung«, er sah sich fast ängstlich um, »und weißt du, dieser Hausherr … er hat so ein Gesicht wie … Was meinst du, ist er nicht gefährlich?«
    »Der Vermieter? O nein, wodurch könnte er gefährlich sein?«
    » C’est ça. Um so besser. Il semble qu’il est bête, ce gentilhomme . Cher enfant, um Christi willen, verrate Anna Andrejewna nicht, daß ich mich hier vor allem fürchte; ich habe hier alles gelobt, alles vom ersten Augenblick an, auch den Hausherrn habe ich gelobt. Hör mal, kennst du die Geschichte des von Sohn  – weißt du noch?«
    »Was ist denn damit?«
    » Rien, rien du tout … Mais je suis libre ici, n’est-ce pas ? Was meinst du, hier kann mir doch nichts passieren … nichts dieser Art?«
    »Aber ich versichere Ihnen, mein lieber Fürst … ich bitte Sie!«
    »Mon ami! Mon enfant«, rief er plötzlich aus, faltete die Hände, ohne seinen Schrecken weiter zu kaschieren, »wenn du in der Tat irgend etwas besitzt … Dokumente, zum Beispiel … kurz – wenn du mir etwas zu sagen hättest, so sage es mir nicht; um Gottes willen, sage mir nichts; es ist besser, du sagst überhaupt nichts … so lange nichts, wie es nur möglich ist …«
    Er wollte mich gerade in seine Arme schließen; Tränen flossen über sein Gesicht; mir fehlen die Worte, um auszudrücken, wie sich mein Herz zusammenkrampfte: Der arme alte Mann war wie ein jammervolles, schwaches, eingeschüchtertes Kind, das von Zigeunern aus dem häuslichen Nest entführt und zu Fremden verschleppt worden ist. Aber die Umarmung kam nicht zustande: Die Tür ging auf, und Anna Andrejewna kam herein, allerdings nicht mit dem Vermieter, sondern mit ihrem Bruder, dem Kammerjunker. Die neue Konstellation verblüffte mich; ich stand auf und ging auf die Tür zu.
    »Arkadij Makarowitsch, erlauben Sie, daß ich Sie bekannt mache«, sagte Anna Andrejewna laut, so daß ich gegen meinen Willen stehenblieb.
    »Ich bin mit Ihrem Herrn Bruder ausreichend bekannt«, stieß ich hervor, das Wort ausreichend besonders betonend.
    »Ach, das war ein furchtbares Versehen! Ich fühle mich so schul-dig, lieber Andr … Andrej Makarowitsch«, begann der junge Mann affektiert, indem er betont lässig auf mich zukam und meine Hand ergriff, die ich ihm nicht entziehen konnte, »es war die Schuld meines Stepan; er hat Sie damals so dumm angemeldet, daß ich Sie für jemand anderen gehalten habe – das war in Moskau«, erklärte er seiner Schwester, »und dann drängte es mich mit Gewalt, Sie ausfindig zu machen und Ihnen alles zu erklären, aber da wurde ich krank, hier, fragen Sie meine Schwester … Cher prince, nous devons être amis même par droit de naissance  … «
    Und der dreiste junge Herr erkühnte sich sogar, mir einen Arm um die Schultern zu legen, was schon der Gipfel des Familiären war. Ich wich zurück, wurde aber verlegen und zog es vor, mich schleunigst zu entfernen, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Als ich in meinem Zimmer war, ließ ich mich auf mein Bett nieder, nachdenklich und erregt. Die Intrige nahm mir die Luft zum Atmen, aber ich konnte doch Anna Andrejewna unmöglich vor den Kopf stoßen und ihr in den Rücken fallen. Plötzlich fühlte ich, daß auch sie mir teuer und daß ihre Lage furchtbar war.
    III
    Wie ich es auch erwartet hatte, kam sie selbst in mein Zimmer und überließ den Fürsten der Obhut ihres Bruders, der sofort anfing, dem Fürsten irgendwelchen gesellschaftlichen Klatsch nachzuerzählen, den neuesten und frischgebackenen, womit er den leicht empfänglichen alten Herrn augenblicklich fesselte und erheiterte. Ich erhob mich

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