Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
schweigend, mit erwartungsvoller Miene, vom Bett.
»Ich habe Ihnen alles gesagt, Arkadij Makarowitsch«, begann sie ohne Umschweife, »unser Schicksal liegt in Ihrer Hand.«
»Aber auch ich habe Sie von vornherein gewarnt, daß ich es nicht kann … Die heiligsten Verpflichtungen hindern mich daran, das auszuführen, worauf Sie rechnen …«
»Ja? Ist das – Ihre Antwort? Nun, mag ich zugrunde gehen, aber der alte Mann? Wie stellen Sie sich das vor: Er wird gegen Abend den Verstand verlieren!«
»Nein, er wird den Verstand verlieren, wenn ich ihm den Brief seiner Tochter vorlege, in dem sie bei einem Rechtsanwalt Rat holt, wie man einen Vater für unzurechnungsfähig erklärt!« rief ich aufgebracht. »Das ist es, was er nicht ertragen wird. Sie müssen wissen, daß er diesem Brief nicht glaubt, er hat es mir schon gesagt!«
Es war nicht wahr, daß er mir das bereits gesagt hatte; aber es war angebracht.
»Bereits gesagt? Das habe ich mir gedacht! In diesem Fall bin ich verloren; er hat vorhin schon geweint und nach Hause gedrängt.«
»Sagen Sie mir doch, worin eigentlich Ihr Plan besteht?« fragte ich mit Nachdruck.
Sie errötete, sozusagen aus verletztem Hochmut, faßte sich jedoch wieder:
»Mit diesem Brief seiner Tochter in der Hand sind wir vor den Augen der Welt gerechtfertigt. Ich werde ihn sofort dem Fürsten W. und Boris Michailowitsch Pelischtschew, seinen beiden Jugendfreunden, schicken; beide sind angesehene, in der großen Welt einflußreiche Persönlichkeiten und haben, ich weiß es, schon vor zwei Jahren mit Entrüstung einige Handlungen seiner erbarmungslosen und habgierigen Tochter mißbilligt. Sie werden ihn selbstverständlich mit seiner Tochter aussöhnen, auf meine Bitte hin, ich selbst werde strikt darauf bestehen; aber die Lage der Dinge wird sich völlig ändern. Außerdem werden dann auch meine Verwandten, die Fanariotows, sich entschließen, damit rechne ich, für meine Rechte einzutreten. Aber für mich geht es vor allem um sein Glück; er muß es endlich begreifen und würdigen: Wer ist es, der ihm wirklich ergeben ist? Ohne Zweifel, ich lege den größten Wert auf Ihren Einfluß, Arkadij Makarowitsch: Sie lieben ihn doch so … und liebt ihn denn sonst jemand außer uns beiden? Er hat von niemand sonst gesprochen in den letzten Tagen; er sehnte Sie herbei, Sie sind ›sein junger Freund‹ … Selbstverständlich wird meine Dankbarkeit mein Leben lang keine Grenzen haben …«
Sie stellte mir schon eine Belohnung in Aussicht – vielleicht Geld.
Ich unterbrach sie schroff:
»Was Sie mir auch sagen werden, ich kann es nicht«, sagte ich mit dem Ausdruck unerschütterlicher Entschlossenheit, »ich kann Ihnen höchstens mit der gleichen Aufrichtigkeit antworten und Ihnen meine letzten Absichten erklären: Ich werde in allernächster Zukunft diesen fatalen Brief Katerina Nikolajewna aushändigen, aber unter der Bedingung, daß alles zuletzt Vorgefallene zu keinem Skandal führen darf und daß sie im voraus ihr Wort gibt, Ihrem Glück nicht im Wege zu stehen. Das ist alles, was ich tun kann.«
»Unmöglich!« sagte sie, über und über rot. Allein den Gedanken, Katerina Nikolajewna könnte sie schonen, fand sie empörend.
»Ich werde meinen Entschluß nicht ändern, Anna Andrejewna.«
»Vielleicht ändern Sie ihn doch.«
»Wenden Sie sich an Lambert!«
»Arkadij Makarowitsch, Sie wissen nicht, welches Unglück Sie durch Ihren Starrsinn heraufbeschwören«, sagte sie hart und erbittert.
»Es wird viel Unglück geben – das ist sicher … mich schwindelt. Wir haben genug verhandelt: Ich bin entschlossen – daran ist nichts zu ändern. Ich habe nur eine Bitte – bringen Sie um Gottes willen nicht Ihren Bruder zu mir.«
»Aber er möchte doch gerade seinen Fehler gutmachen …«
»Es gibt nichts gutzumachen! Ich brauche es nicht, ich will nicht, ich will nicht!« rief ich und griff mir an den Kopf. (Oh, vielleicht habe ich sie damals viel zu herablassend behandelt!) – »Aber, sagen Sie, wo wird der Fürst heute übernachten? Doch nicht etwa hier?«
»Er wird hier übernachten, bei Ihnen und mit Ihnen.«
»Noch vor heute abend ziehe ich um!«
Nach diesen erbarmungslosen Worten griff ich nach meiner Kappe und fuhr in meinen Pelz. Anna Andrejewna beobachtete mich schweigend und hart. Sie tat mir leid – oh, dieses stolze junge Mädchen tat mir leid! Aber ich rannte aus der Wohnung, ohne ihr ein Wort der Hoffnung zurückzulassen.
IV
Ich möchte mich
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