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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Methode der Kapitalbildung, beim Betteln, sich nur von trocken Brot mit Salz ernähren und von sonst nichts, wenigstens meiner Meinung nach. So sind wahrscheinlich auch die beiden oben erwähnten Bettler verfahren, d.h., sie ernährten sich nur von Brot und hausten fast unter offenem Himmel. Kein Zweifel, die Absicht, ein Rothschild zu werden, lag ihnen beiden fern. Sie waren nur Harpagons und Pljuschkins reinsten Wassers, nichts sonst; aber auch bei bewußter Kapitalanhäufung in völlig anderer Form, jedoch mit dem Ziel, ein Rothschild zu werden, wird dem Menschen nicht weniger Wollen und Willenskraft abverlangt als diesen beiden Bettlern. Ein »Fater« kann so viel Kraft sich nicht abringen. Die Kräfte auf dieser Welt sind sehr verschieden, Willenskräfte und Wunschkräfte ganz besonders. Eine bestimmte Temperatur bringt Wasser zum Kochen, und eine bestimmte Temperatur bringt Eisen zum Rotglühen.
    Das ist Kloster, das ist Askese. Ein Lebensgefühl, nicht eine Idee. Warum? Wozu? Ist es moralisch, ist es nicht krankhaft, lebenslang in Lumpen herumzulaufen und trockenes Brot zu essen, während man solche ungeheuren Summen bei sich führt? Aber zu diesen Fragen später, jetzt nur von der Möglichkeit, das Ziel zu erreichen.
    Als ich mir »meine Idee« ausgedacht hatte (und sie ist eigentlich Rotglühendes), begann ich, mit mir zu experimentieren: Bin ich für Kloster und Askese überhaupt geeignet? Zu diesem Zweck habe ich mich den ganzen ersten Monat nur von Brot und Wasser ernährt. Täglich brauchte ich nicht mehr als zweiundeinhalb Pfund Schwarzbrot. Um diesen Versuch durchzuführen, mußte ich den klugen Nikolaj Semjonowitsch und die wohlwollende Marja Iwanowna hintergehen. Ich bestand darauf, daß mein Mittagessen zu ihrem Kummer und einer gewissen Befremdung des überaus taktvollen Nikolaj Semjonowitsch auf mein Zimmer gebracht wurde. Dort habe ich es einfach beseitigt: Die Suppe schüttete ich zum Fenster hinaus, entweder in die Brennesseln oder wohin auch immer, das Rindfleisch warf ich durchs Fenster dem Hund vor oder steckte es, in ein Stück Papier gewickelt, in die Tasche, um es später hinauszutragen, und verfuhr ebenso mit allem anderen. Da zum Essen weniger als zweiundeinhalb Pfund Brot gereicht wurden, kaufte ich mir Brot aus eigener Tasche dazu. Ich habe diesen ganzen Monat durchgehalten und mir höchstens ein wenig den Magen verdorben; aber im folgenden Monat erlaubte ich mir zu dem Brot etwas Suppe und morgens und abends je ein Glas Tee. Und ich kann versichern, daß ich mich ein ganzes Jahr lang bester Gesundheit und Zufriedenheit erfreute und moralisch – vollster Glückseligkeit und heimlichen Entzückens. Als das Jahr zu Ende ging und ich mich überzeugt hatte, daß ich imstande war, beliebig lange zu fasten, begann ich wieder, dasselbe zu essen wie die anderen und mit ihnen an einer Tafel zu speisen. Ich habe den verschmähten Leckerbissen nicht nur nicht nachgetrauert, ich habe gejubelt. Aber dieses erste Experiment war mir nicht genug, ich führte ein zweites durch: Als Taschengeld standen mir fünf Rubel zu, die zusammen mit dem Unterhaltsgeld an Nikolaj Semjonowitsch monatlich überwiesen wurden. Ich nahm mir vor, nur die Hälfte davon auszugeben. Das war eine sehr schwere Prüfung. Aber nach zweiundeinhalb Jahren, bei meiner Ankunft in Petersburg, besaß ich, außer dem anderen Geld, siebzig Rubel, die ausschließlich auf diese Weise erspart waren. Das Resultat dieser beiden Experimente war für mich einfach überwältigend: Ich hatte mich definitiv überzeugt, daß mein Wille stark genug war, um mein Ziel zu erreichen, und darin, ich wiederhole, bestand meine ganze »Idee«; das Weitere war belanglos.
    II
    Nehmen wir uns jedoch auch das Belanglose vor.
    Ich habe meine beiden Experimente beschrieben; in Petersburg führte ich, wie bereits bekannt, ein drittes durch – ich besuchte eine Auktion und machte mit einem Schlag sieben Rubel fünfundneunzig Kopeken Profit. Natürlich war das kein echtes Experiment, sondern nur ein Spiel, ein Spaß: Ich hatte Lust, eine klitzekleine Minute der Zukunft zu entreißen und auszuprobieren, wie ich mich einst bewegen und handeln würde. Im allgemeinen hatte ich den richtigen Geschäftsbeginn noch herausgeschoben, gleich am Anfang, noch in Moskau, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich vollkommen frei sein würde; es war mir völlig klar, daß ich wenigstens das Gymnasium abschließen müßte. (Die Universität hatte ich, wie bekannt, geopfert.)

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