Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
mir in den Weg, so klein, daß es sonderbar war, ihn zu so später Stunde allein auf der Straße anzutreffen; es sah so aus, als hätte er sich verlaufen; eine Frau blieb einen Augenblick stehen, um ihn auszufragen, verstand ihn aber nicht, zuckte mit den Achseln, ging weiter und ließ ihn allein in der Dunkelheit stehen. Ich näherte mich ihm schon, aber er erschrak plötzlich vor mir und lief weiter. Als ich mich unserem Haus näherte, stand mein Entschluß fest, daß ich Wassin nie mehr besuchen wollte. Während ich die Treppen hinaufstieg, überkam mich der brennende Wunsch, meine Mutter und meine Schwester allein vorzufinden, ohne Werssilow, um ihnen, meiner Mutter oder meiner lieben Schwester, an die ich im Laufe dieses ganzen Monats kaum ein einziges persönliches Wort gerichtet hatte, etwas Freundliches zu sagen, und zwar bevor Werssilow nach Hause käme. Es traf ein: Er war nicht zu Hause …
    IV
    Übrigens: Da ich in meinen »Aufzeichnungen« diese neue »handelnde Person« (das heißt Werssilow) auftreten lasse, will ich in Kürze auf seinen Lebenslauf eingehen, dem allerdings keine besondere Bedeutung zukommt. Ich tue dies dem Leser zuliebe und weil ich noch nicht absehe, wo ich im weiteren Verlauf der Erzählung diesen Lebenslauf unterbringen könnte.
    Er hatte auf der Universität studiert, war aber in die Garde, in ein Kavallerieregiment, eingetreten. Heiratete eine Fanariotowa und reichte seinen Abschied ein. Reiste ins Ausland und gab sich nach seiner Rückkehr nach Moskau dem Gesellschaftsleben hin. Zog nach dem Tod seiner Frau aufs Land; daselbst die Episode mit meiner Mutter. Dann ein längerer Aufenthalt irgendwo im Süden. Während des Krieges gegen Europa trat er abermals in den Militärdienst ein, wurde aber weder auf der Krim noch sonst im Feld eingesetzt: Nahm nach Kriegsende seinen Abschied, reiste wiederholt ins Ausland, sogar mit meiner Mutter, die er allerdings in Königsberg zurückließ. Die Ärmste erzählte manchmal, immer noch mit Entsetzen und Kopfschütteln, wie sie damals ganze sechs Monate lang mutterseelenallein mit der kleinen Tochter, wie mitten im Wald, ohne Sprachkenntnisse und schließlich auch ohne Geld gelebt habe. Tatjana Pawlowna hatte sie damals abgeholt und zurückgebracht, irgendwohin in das Gouvernement Nischnij Nowgorod. Dann hatte Werssilow das Amt eines Friedensrichters übernommen, das er, wie man hört, glänzend versah; aber bald darauf gab er es auf und übernahm privat verschiedene Zivilklagen. Andronikow hatte seine Fähigkeiten stets hochgeschätzt und ihn außerordentlich geachtet, mit der Einschränkung, daß Werssilows Charakter ihm unbegreiflich bleibe. Dann gab Werssilow auch dies auf und reiste wieder ins Ausland, dieses Mal für lange, für einige Jahre. Das war die Zeit der ganz besonders vertraulichen Beziehung zu dem alten Fürsten Sokolskij. Seine finanzielle Lage hatte sich in dieser Periode ein paar Mal radikal verändert: Bald ging er am Bettelstab, bald erfreute er sich plötzlich eines größeren Reichtums und kam wieder hoch.
    Übrigens bin ich jetzt, da ich mit meinen Aufzeichnungen an diesem Punkt angelangt bin, entschlossen, auch von »meiner Idee« zu sprechen. Ich werde sie in Worte fassen, zum ersten Mal, seitdem sie in mir aufgekeimt ist. Ich bin entschlossen, den Leser mit ihr vertraut zu machen, auch um der Unmißverständlichkeit der weiteren Ausführungen willen. Denn nicht nur der Leser, sondern auch der Autor (d.h. ich selbst) hat mit der Schwierigkeit zu kämpfen, meine diversen Schritte zu verfolgen, solange ich ihre Notwendigkeit und Vorgeschichte nicht erklärt habe. Durch diese »figura« fiel ich in meinem Unvermögen in jenen »schönen« Romanstil, den ich eingangs selbst verspottet habe. Wenn ich nur über die Schwelle meines Petersburger Romans trete, mit allen meinen schmählichen Abenteuern, die er enthält, halte ich diese Vorbemerkung für unumgänglich. Es sind nicht nur die Schönheiten, die mich bis jetzt dazu verführt haben, einiges zu verschweigen, sondern ebensosehr das Wesen der Sache, das heißt ihre unerhörte Schwierigkeit; sogar jetzt, da alles Vergangene längst vergangen ist, empfinde ich die unüberwindliche Schwierigkeit, diesen »Gedanken« darzustellen. Außerdem obliegt es mir zweifellos, ihn in seiner damaligen Form zu entwickeln, das heißt in seinem Werden und in der Vorstellung von damals und nicht von jetzt – und das ist bereits eine neue Schwierigkeit. Manche Dinge zu erzählen ist

Weitere Kostenlose Bücher