Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
ob sie das Geld von dir nehmen sollte, das du ihr kürzlich für deinen monatlichen Unterhalt angeboten hast. Angesichts dieses Sarges sollte sie es nicht nur nicht nehmen, sondern wir hätten dir eine Abfindung zahlen müssen. Ich bin hier niemals gewesen und … kann mir nicht einmal vorstellen, daß man hier überhaupt leben kann.«
»Ich habe mich daran gewöhnt. Aber daran, daß ich Sie hier bei mir sehe, kann ich mich nicht gewöhnen, nach allem, was unten geschehen ist.«
»O ja, du warst ziemlich grob unten, aber … ich habe auch meine besonderen Ziele, die ich dir erklären möchte, obwohl mein Besuch nichts Ungewöhnliches ist; sogar das, was sich unten abgespielt hat – sogar das liegt komplett in der Ordnung der Dinge, aber erkläre mir um Christi willen folgendes: Ist denn das, was du uns dort unten erzählt, worauf du uns so feierlich vorbereitet und was du uns angekündigt hast – ist das jetzt alles, was du uns eröffnen oder mitzuteilen vorhattest, alles und sonst nichts?«
»Alles. Das heißt, nehmen wir an, daß es alles ist.«
»Das ist nicht viel, mein Freund; ich muß zugeben, daß ich nach dem Anlauf, den du genommen hast und nach der Aufforderung zu lachen, mit einem Wort, nach deiner offensichtlichen Lust zu erzählen – daß ich mehr erwartet hatte.«
»Aber ist Ihnen denn das nicht ganz egal?«
»Mir geht es eigentlich um das Gefühl für das Maß: Das Spiel war die Kerzen nicht wert, das Maß wurde nicht eingehalten. Du hast einen ganzen Monat lang geschwiegen, hast dich vorbereitet und plötzlich – nichts!«
»Ich wollte lange erzählen, aber ich schäme mich, daß ich schon so viel erzählt habe. Nicht alles läßt sich in Worten wiedergeben, manches sollte man besser niemals erzählen. Ich habe genug gesagt, und Sie haben es doch nicht verstanden.«
»Aha, auch du leidest zuweilen darunter, daß ein Gedanke nicht in die Worte eingeht! Das ist ein edles Leid, mein Freund, und wird nur Auserwählten zuteil, ein Dummkopf ist immer mit dem zufrieden, was er gesagt hat, und spricht außerdem immer mehr aus als nötig; das tut er gern auf Vorrat.«
»Genau wie ich unten, zum Beispiel; ich habe ebenfalls mehr als nötig ausgesprochen: Ich erhob Anspruch auf den ›ganzen Werssilow‹ – das ist wesentlich mehr als nötig; ich habe Werssilow gar nicht nötig.«
»Mein Freund, ich sehe, du möchtest das unten Verspielte wieder hereinholen. Du bereust offensichtlich, und weil Bereuen bei uns nichts anderes bedeutet als von neuem über jemand herzufallen, möchtest du wohl vermeiden, diesmal danebenzutreffen. Ich bin zu früh gekommen, du bist noch nicht abgekühlt und kannst außerdem Kritik nur schwer ertragen. Aber setz dich doch, um Himmels willen, ich bin gekommen, um dir einiges mitzuteilen; danke, so ist es recht. Nach all dem, was du beim Hinausgehen deiner Mutter sagtest, ist nur allzu klar, daß wir uns sogar in jedem Fall trennen sollten. Ich bin gekommen, um dich zu bewegen, dies nach Möglichkeit rücksichtsvoll und ohne Skandal zu bewerkstelligen, um deine Mutter nicht noch mehr zu betrüben und noch mehr zu erschrecken. Schon der Umstand, daß ich von mir aus heraufgekommen bin, hat sie getröstet. Sie glaubt immer noch, daß wir noch eine Gelegenheit finden, uns zu versöhnen, und daß dann alles wieder so ist wie früher. Ich glaube, wenn wir beide, jetzt und hier, ein paar Mal laut lachten, würde es reinstes Entzücken in ihrem schüchternen Herzen wecken. Mögen es auch einfache Herzen sein, es sind dennoch liebende, aufrichtige und treu liebende Herzen, warum sollte man sie nicht bei Gelegenheit ein bißchen verwöhnen? Also, das ist das erste. Das zweite: Warum müssen wir unbedingt mit Durst nach Rache, Zähneknirschen, Schwüren und so weiter auseinandergehen? Zweifellos haben wir es keineswegs nötig, einander um den Hals zu fallen, aber man kann doch in gegenseitiger Achtung auseinandergehen, nicht wahr?«
»Alles Unsinn! Ich verspreche, daß ich ohne Skandal ausziehe – das genügt. Sie wollen sich um die Mutter Sorgen machen? Mir kommt es dagegen so vor, daß die Ruhe meiner Mutter Ihnen in diesem Fall völlig egal ist, daß Sie nur Worte machen.«
»Du glaubst mir nicht?«
»Sie reden mit mir entschieden wie mit einem Kind!«
»Mein Freund, ich bin bereit, dich dafür tausendmal um Verzeihung zu bitten, auch für, nun ja, für alles, was du mir auf der Rechnung präsentierst, für diese ganzen Jahre deiner Kindheit usw., aber, cher enfant,
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