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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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und einer Bibel in der anderen Hand.
    »Wir sind reisefertig.«
    Ich fragte Mrs. Jameson, ob es ihr etwas ausmachte, mich zuerst durch das Haus zu begleiten und festzustellen, ob etwas Offensichtliches fehlte – außerhalb Tapleys Räumlichkeiten. Die Polizei würde das Haus zu einem späteren Zeitpunkt durchsuchen, erläuterte ich. Doch falls es Hinweise auf einen Diebstahl gab, hatten wir unser Motiv.
    »Möchten Sie, dass ich mitkomme, Ma’am?«, fragte Jenny.
    »Nehmen Sie sie ruhig mit«, sagte ich. »Vielleicht fällt ihr etwas auf.«
    So kam es, dass Biddle sowohl den Handkoffer als auch Jennys Bündel die Treppe hinuntertrug. Lizzie folgte ihm.
    Beide Frauen lehnten es ab, das Zimmer nochmals zu betreten, in dem der Mord stattgefunden hatte, doch ansonsten sahen wir überall nach. Sie versicherten mir, dass alles an seinem Platz war und nichts zu fehlen schien. Im Esszimmer sahen wir den noch immer zum Abendessen gedeckten Tisch, die traurigen Spuren eines Abends, der so unerwartet unterbrochen worden war. Die Küche roch nach dem in seinem Saft erkalteten Schweinebraten, doch vom Braten selbst war mysteriöserweise nichts zu sehen.
    »Ich habe den Braten in den Fliegenschrank in der Speisekammer gelegt, Ma’am«, sagte Bessie an Mrs. Jameson gewandt. »Wenn er über Nacht auf dem Tisch bleibt, zieht er die Ratten an.«
    »Wenn ich bitte den Hausschlüssel haben könnte, Ma’am?«, fragte ich. »Somit können wir das Haus zusperren, wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind. Sie bekommen ihn morgen wieder.«
    »Natürlich«, murmelte sie.
    Nachdem die vier Frauen das Haus verlassen hatten, durchsuchten Biddle und ich ein zweites Mal kurz das Haus, doch wir fanden nichts, das uns weitergeholfen hätte. Insbesondere der verschwundene Hausschlüssel blieb unauffindbar. Es sah danach aus, als hätte der Killer ihn mitgenommen. Sollte das der Fall sein, konnte es nur bedeuten, dass er vorhatte, noch einmal wiederzukommen. Aber warum? War er genau wie sein Opfer überrascht worden und hatte keine Zeit gefunden, die Zimmer zu durchsuchen? Die goldene Taschenuhr war es wohl nicht, was er gesucht hatte. Obgleich sie einen gewissen Wert hatte, würde der Täter nicht den Hals riskieren und nur wegen ihr wiederkommen. Bis jetzt konnten wir Einbrecher nicht ausschließen – Harpers Erwähnung des Wortes »Brecheisen« ließ mir keine Ruhe – doch ich neigte stark zu der Annahme, dass es sich bei der Tat um einen vorsätzlichen Mord handelte. Wir hatten ein hartes Stück Arbeit vor uns, um hinter die Motive zu kommen.
    »Also schön, Constable!«, sagte ich. »Was ist mit diesem Mädchen, Jenny? Was hat sie erzählt? Haben Sie sie gefragt, ob während der vergangenen Woche Besuch da gewesen ist? Hausierer, Vertreter oder Boten? Oder vielleicht ein Bettler?«
    »Der Brötchenjunge war gestern da«, entgegnete Biddle und zückte umständlich sein Notizbuch, um es zu konsultieren. »Es war seine übliche Zeit, Sir, wie jeden Morgen. Er bringt die Brötchen, seit Jenny hier arbeitet. Das wären knappe zwei Jahre, Sir«, ergänzte Biddle. »So lange ist sie hier angestellt, meine ich. Sie ist nicht in London geboren. Sie kommt aus Chatham, wo ihr Vater und ihre Brüder in der Werft arbeiten. Eine Tante von ihr ist bei einer Quäkerfamilie in Clapham in Anstellung, und so ist sie an die Stelle bei Mrs. Jameson gekommen. Jenny selbst gehört nicht zu den Quäkern, doch sie findet es gut, in einem Quäker-Haushalt zu arbeiten. Es ist eine gute Empfehlung, wenn sie später woanders eine Stelle sucht. Kein Alkohol, kein Glücksspiel, keine Schimpfworte und so weiter … und alles ist blitzsauber.«
    Ich bat Biddle, sich kurzzufassen, was Jennys Lebensgeschichte betraf, und mit den Ereignissen weiterzumachen, die diesem verhängnisvollen Tag vorausgegangen waren. Zusammengefasst ergab sich, dass an diesem Tag, mit Ausnahme des Brötchenjungen an der Hintertür, niemand vorbeigekommen war. Am vorangegangenen Nachmittag hatte Mrs. Jameson zwei Ladies der Quäker-Gemeinde zum Tee empfangen. Der Wagen des Milchmannes war an beiden Tagen die Straße entlanggekommen. Jenny war mit einem Milchkrug nach draußen gegangen, um Milch zu holen. (Der Milchmann kam nicht zur Rückseite des Hauses.) Soweit Jenny wusste, hatte Tapley keinen Besuch empfangen, doch sie räumte ein, dass er möglicherweise selbst jemanden hereingelassen und mit nach oben genommen hatte, unbemerkt von ihr und der Missus, auch wenn sie das nicht für

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