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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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folgerichtig. »Packen Sie, was immer Sie für ein paar Nächte brauchen, aber sonst bitte nichts.«
    Als sie gegangen war, fragte ich Lizzie, was sie noch von der Lady in Erfahrung hatte bringen können, und sie lieferte mir einen genauen Bericht von ihrer Unterhaltung mit der Witwe.
    »Lizzie, würdest du sagen, dass Mrs. Jameson eine törichte, naive oder leichtgläubige Frau ist?«
    Meine Gattin schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Ich würde eher sagen, dass sie sehr pragmatisch, tüchtig und klug ist.«
    »Dann war unser Mr. Tapley anscheinend ein recht schlauer Bursche. Er hat Mrs. Jameson überredet, ihm zwei Zimmer zu vermieten, und das ohne ein einziges signifikantes Empfehlungsschreiben. Den Brief von seiner vorherigen Vermieterin zähle ich nicht – sie wusste wahrscheinlich genauso wenig über ihren Untermieter wie seine jetzige Wirtin! Er überredete Mrs. Jameson, ihm einen Schlüssel für das Haus zu überlassen, und er hat während der ganzen Zeit weder etwas über sich oder seine Vergangenheit preisgegeben noch mitgeteilt, wo er seine Tage zu verbringen pflegte. Soweit wir wissen, hat er bis zum heutigen Tag keinen Besuch empfangen.«
    »Du denkst, er hat seinen Mörder selbst ins Haus gelassen?«, fragte Lizzie leise.
    »Wir müssen es in Betracht ziehen. Allerdings sieht es danach aus, als sei er beim Lesen angegriffen worden. Er hat nicht im Gespräch mit jemandem zusammengesessen. Ich neige zu der Annahme, dass der Mörder durch die Küche hereingeschlüpft ist.
    Möglicherweise hat Tapley schon zu früheren Gelegenheiten den einen oder anderen Besucher unbemerkt ins Haus gelassen. Er stand mit jemandem von draußen in Kontakt, Lizzie, und ich muss herausfinden, wer diese Person ist! Wenn wir davon ausgehen, dass dies nicht das Werk eines Diebes ist, der so inkompetent war, eine goldene Uhr zu übersehen, suchen wir nach einem völlig Fremden. Nach jemandem, der ohne einen erkennbaren Grund in ein unbekanntes Haus spaziert und dort einen Mann umbringt, den er noch nie zuvor gesehen hat.« Ich schüttelte den Kopf. »Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich.«
    Von draußen erklang erneut das Rattern von Rädern und Hufgeklapper auf dem Kopfsteinpflaster. Ich erhob mich und warf einen Blick aus dem Fenster. Ein dunkler fensterloser Wagen war vorgefahren. Zwei Männer luden einen einfachen Brettersarg aus.
    »Lizzie, würdest du nach oben zu Mrs. Jameson gehen und sie bitten, in der nächsten halben Stunde nicht ihr Zimmer zu verlassen? Leiste ihr Gesellschaft und halte die Tür geschlossen. Der Wagen ist da, um den Toten zur Leichenhalle zu bringen, und es ist kein Anblick für dich oder Mrs. Jameson.«
    Lizzie eilte in den ersten Stock. Ich öffnete den beiden Bediensteten des Bestatters die Tür. Die Unruhe zu so später Stunde hatte eine Menge Aufsehen in der Straße erregt. Vorhänge vor Schlafzimmerfenstern bewegten sich, und Gesichter zeigten sich als blasse Ovale an den Scheiben, eingefangen im Licht der Gaslaternen. Kaum jemand würde am nächsten Morgen nicht über die Geschehnisse informiert sein. Ich führte die Männer nach oben in das Zimmer mit Tapleys Leichnam und sah ihnen zu, wie sie den Toten mit dem eingeschlagenen Schädel in den Sarg legten. Ihre Gesichter waren ausdruckslos und ihre Bewegungen zügig und sicher. Sie arbeiteten wortlos. Für sie war es lediglich ein weiterer Toter. Es war nichts Neues für sie.
    Tapleys Leiche wurde nach unten getragen und aufgeladen. Der Leichenwagen entfernte sich ratternd. Die Gardinen in den oberen Fenstern fielen an ihren Platz zurück.
    Ich ging ins Haus und stieg in den ersten Stock. Ich hatte Jenny ganz vergessen. Sie saß auf der obersten Stufe der Wendeltreppe, die hinunter in die Küche führte, ein Bündel im Arm. Biddle stand bei ihr. Es sah so aus, als hätte er sie beim Packen ihrer Sachen beaufsichtigt, wenn man das Einrollen von Nachthemd und Haarbürste in ein Tuch so bezeichnen konnte. Seine Haltung war die eines Beschützers, doch das war es nicht, was Jenny beschäftigte.
    »Ich nehme an, dass ich den Teppich schrubben muss«, sagte sie missmutig.
    »Aber nicht morgen«, entgegnete ich. »Morgen werden die Kollegen vom Yard diese Zimmer untersuchen.«
    Ich hörte die beiden Frauen, die sich im Schlafzimmer von Mrs. Jameson unterhielten, und klopfte an die Tür. »Sie können jetzt wieder nach unten.«
    Lizzie öffnete die Tür. Hinter ihr erblickte ich Mrs. Jameson mit einem kleinen Koffer in der einen

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