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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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Bücherschrank. Wir mussten jedes Buch herausnehmen und die einzelnen Seiten durchblättern … Der Brief der früheren Wirtin ruhte ordentlich in einem dicken Gedichtband von Cowper. Das Buch hatte einen grünlichen Leinen-Einband, und ich nahm mir vor, mir vor dem Essen besonders sorgfältig die Hände zu waschen. Buchbinder verwendeten zwar heutzutage die neuen chemischen Farbstoffe für die grüne Farbe, doch dieses Buch war vor vierzig Jahren gedruckt worden, als man noch Arsenik verwendet hatte.
    Der Name der früheren Vermieterin lautete Mrs. Holland, wohnhaft in der St. Michaels Alley in Southampton. Thomas Tapley hatte von Februar bis Ende Juli des Vorjahres bei ihr gewohnt. Dann war er ausgezogen. Er war ein vorzüglicher Untermieter gewesen, hatte keinerlei Unruhe gleich welcher Art verursacht, pünktlich die Miete gezahlt und sich stets zuvorkommend und hilfsbereit verhalten. Sie bedauerte seinen Auszug.
    »Schön«, sagte ich zu Morris. »Das ist, was wir erwartet haben. Es stimmt mit dem überein, woran sich die Witwe Jameson erinnern konnte. Es verrät uns nichts Neues über Tapley. Ich telegraphiere an die Dienststelle in Southampton und bitte einen Kollegen vor Ort, sich mit Mrs. Holland zu unterhalten und herauszufinden, wo Tapley gewohnt hat, bevor er auf der Schwelle von Mrs. Holland aufgetaucht ist, eingehüllt in eine Wolke aus Glaubwürdigkeit, die diese beiden Ladies so ungemein beeindruckt hat. Mrs. Jameson sagt, er habe zu keiner Zeit versucht, sich von ihr Geld zu leihen; möglicherweise hat Mrs. Holland andere Erfahrungen gemacht.«
    »Der Inhalt des Briefes klingt nicht danach«, stellte Morris fest und starrte finster auf das Blatt Papier in meiner Hand.
    »Stimmt, das tut er nicht. Doch sie soll es bestätigen. Es würde zumindest zeigen, dass er über ein regelmäßiges Einkommen verfügte. Ich wüsste gerne, welcher Art das gewesen ist.«
    Ungeachtet unserer gründlichen Suche blieb der Schlüssel verschollen. Falls der Mörder ihn hatte, so würde er schnell bemerken, dass er nutzlos geworden war. Es bedeutete allerdings, dass er vorgehabt hatte zurückzukehren. Was hatte er gesucht, und warum hatten wir keine persönlichen Unterlagen gefunden?
    Wir kehrten zum Scotland Yard zurück. Ich schickte ein Telegramm nach Southampton und bat um Informationen über Tapley, der für eine kurze Zeit in der St. Michaels Alley gewohnt hatte, und darum, dass jemand die Vermieterin aufsuchte und befragte.
    Biddle kam am späten Nachmittag zurück, verschwitzt und mit wunden Füßen. Er hatte sämtliche Kaffeehäuser südlich des Flusses in der Umgebung der Waterloo Bridge Station abgeklappert. Er war auch auf der anderen Seite gewesen und hatte sich in den Kaffeehäusern und Rauchlokalen von The Strand umgehört. Zwei Tage zuvor hatte Lizzie auf ihrem Spaziergang Tapley nahe der Waterloo Bridge getroffen. Der alte Mann war auf dem Weg in das geschäftige Viertel auf der anderen Seite gewesen. Nur wenig später hatte sie ihn erneut gesehen, diesmal auf der Brücke in Richtung Südufer und nach Hause. Ich wollte wissen, wo er sich in der Zwischenzeit aufgehalten hatte.
    Doch Biddles Suche war eigenartig ergebnislos geblieben. Mehrere Kellner meinten sich an einen kleinen Mann in einem abgetragenen Mantel zu erinnern, der gelegentlich vorbeikam, doch er war kein Stammgast, da waren sich alle Kellner einig. Sie kannten ihre Stammgäste. Abgesehen davon verkehrten in den Lokalen viele kleine, abgerissene Männer, die nur darauf aus waren, in einem geheizten Raum kostenlos die Zeitung zu lesen, ohne dabei viel Geld ausgeben zu müssen. Niemand vermochte mit Bestimmtheit zu sagen, ob sich der Mann, den Biddle suchte, unter ihnen befunden hatte.
    Wer trotzdem meinte, sich an Tapley persönlich zu erinnern, stimmte mit den anderen überein, dass er wenig gesprächig gewesen war. »Kein besonders mitteilsamer Mann, bis auf die eine oder andere Bemerkung über das Wetter, besonders, wenn es regnete. Das tun die meisten. Sie kommen aus dem Regen und reden darüber, als würde es niemals regnen in London.« Tapley? Der hatte in seiner Zeitung gelesen, seinen Kaffee getrunken – manchmal auch eine Zigarre geraucht – und war dann wieder verschwunden. Niemand konnte sich erinnern, von ihm gegrüßt worden zu sein oder gesehen zu haben, dass er einen Bekannten grüßte. Auf der anderen Seite mochte niemand beschwören, dass es sich um Tapley gehandelt hatte.
    Alle vagen Erinnerungen zusammengefasst,

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