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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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geregnet hat. Er hatte so ’nen alten Regenschirm, sah ganz komisch aus damit.«
    »Leider wirst du Mr. Tapley nun nicht mehr sehen, Joey.«
    »Wird so sein«, sagte Joey unbekümmert. Er legte den Kopf auf die Seite. »Ich hab allerdings auch seinen Besuch gesehen.«
    Ich hatte Mühe, mir meine Verblüffung nicht anmerken zu lassen. Ich schätze, Joey wusste trotzdem genau, dass er mich überrascht hatte, denn er grinste zufrieden. Er hatte gehofft, mir als Gegenleistung für den Apfel eine Information überlassen zu können, die ich noch nicht besaß, und das war ihm gelungen.
    »Wann ist das gewesen, Joey?«
    Er runzelte die Stirn. »Ich kenn die Tage nicht. Sind alle gleich für mich, mit Ausnahme vom Sonntag, wenn die Kirchenglocken läuten. Ist drei oder vier Tage her, vielleicht ’ne Woche, bevor der Alte abgekratzt ist.«
    »War der Besucher bei ihm zu Hause?«
    Joey nickte. »Aber es war im Geheimen. Die Lady, der das Haus gehört? Sie war nicht daheim.« Er hielt inne, und überlegte, was er über den Haushalt der Witwe wusste. »Zwecklos, die Magd nach was Essbarem zu fragen. Manche geben mir ein paar Bissen Brot, wenn ihre Missus nicht da ist. Ihre nicht!« Joey sah mich grollend an. »Ihre ist übellaunig, wissen Sie? Genau wie die in dem Haus, wo der Mord passiert ist, die mit den roten Haaren. Die gibt auch nichts. Also schenk ich es mir, ums Haus rum zur Hintertür zu gehen und zu fragen. Als ich gesehen hab, wie die Lady das Haus verlassen hat, bin ich geblieben, wo ich gerade war. Hab in einer Seitengasse auf der anderen Straßenseite gesessen.«
    »Und?«, drängte ich ihn ungeduldig.
    »Dann hab ich ’nen jungen Kerl gesehen, kam die Straße lang. Nicht besonders groß, der Bursche. Hatte ’nen schwarzen Mantel an, mit so ’nem hohen Kragen, dazu ’nen Hut. Hatte ihn so aufgesetzt, dass man kaum was von seinem Gesicht sehen konnte. Sah aus, als wär er noch sehr jung gewesen. Stampfte nicht daher, wie es der alte Butcher tut, sondern hüpfte wie eine Feder. Er kam auf meine Seite rüber – ich meine dorthin, wo ich in der Gasse saß. Ich kroch in den Schatten und war mucksmäuschenstill. Sehn Sie, ich dachte mir, dass er was vorhatte. Er blieb stehen, direkt vor mir, ich hätt nur ein wenig den Arm ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Er hat nicht gemerkt, dass ich da war. Er hat nur dagestanden und das Haus angestarrt. Dann kam der alte Tapley, wie Sie ihn nennen, zum Fenster im Obergeschoss und sah nach draußen. Er sieht den jungen Kerl, wie der so zu ihm hochglotzt, und macht das Fenster auf, um sich rauszulehnen. Er hat nichts gerufen. Hat nur auf die Haustür gezeigt und den Finger an die Lippen gelegt, so in etwa.« Joey hob einen schmuddeligen Zeigefinger an den Mund und machte das Zeichen für Schweigen. »Der junge Kerl hat also wieder die Straßenseite gewechselt und sich vor die Tür gestellt. Die geht auf, und ich seh, dass es der alte Tapley ist, nicht die rothaarige Magd. Der Kerl flitzt rein, und Tapley macht die Tür schnell und leise wieder zu. Er hat ihn heimlich reingeschmuggelt, so sieht’s aus. Ganz heimlich, wissen Sie? Er wollte nicht, dass es jemand mitkriegt.«
    Ich hatte genau den gleichen Eindruck. Ben musste so schnell wie möglich davon erfahren.
    »Wie lange ist der Besucher geblieben, Joey?«
    »Nicht lang. Vielleicht ’ne halbe Stunde oder so. Dann hat Tapley ihn wieder rausgelassen, und der junge Kerl hat sich die Straße runter davongemacht.« Joey schenkte mir ein kurzes Lächeln. »Und ich bin hinterher. Ich wollt wissen, wo er hinging.«
    »Und wohin ist er gegangen?«
    Das triumphierende Leuchten in Joeys Gesicht war nun nicht mehr von der Hand zu weisen. »Das ist das Allerbeste. Er marschiert um die Ecke, dann die Straße runter Richtung Fluss. Dort steht ’ne Kutsche, mit geschlossener Kabine, ein wirklich schickes Ding, mit ’nem Paar wunderschöner Pferde. Ich mag Pferde«, fügte er hinzu. »Diese hier sind die Krönung, zueinander passend, golden glänzende Füchse mit hellen Mähnen und Schweifen. Verdammt, die müssen ’n Vermögen gekostet haben, diese Pferde.«
    »Also reden wir hier von einer privaten Kutsche«, merkte ich an.
    Er nickte. »Keine von diesen alten Mietdroschken hat so ’n perfektes Gespann, nicht eine davon! Der Wagen war glänzend schwarz poliert. Der Kutscher hatte so einen schicken Mantel an und ’nen Hut und all den Kram. Der junge Kerl, der, der den alten Tapley besucht hat, springt in die Kutsche, und ab

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