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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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zugesagt hatte. Er hatte keinen Versuch unternommen, mich oder meine Frau zu kontaktieren. Obwohl er sich beinahe neun Jahre außer Landes aufgehalten hatte, machte er keine Anstalten, seine Tochter zu besuchen. Im Zeitungsartikel stand, die Polizei vermutet, der Tote könne in Southampton gewohnt haben. Es ist eine Hafenstadt am Kanal. Ich hatte bereits die Befürchtung, Tom könnte ein Unglück widerfahren sein. Offen gestanden war ich kurz davor, ihn als vermisst zu melden.«
    »Auch auf die Gefahr hin, dass ich Ihren Kummer vergrößere …«, sagte ich, »… so muss ich doch sagen, dass Sie und ich vielleicht nicht hier sitzen würden, wenn Sie ihn als vermisst gemeldet hätten. Thomas Tapley wohnte in unserer Nachbarschaft, auf der Südseite des Flusses, nicht weit vom Bahnhof entfernt. Ich hätte den Namen erkannt und Sie zu ihm gebracht.«
    Jonathan runzelte die Stirn. »Das macht es in der Tat nicht besser. Aber das konnte ich nicht ahnen! Ja, ich gebe Ihnen Recht, ich hätte die Polizei früher einschalten müssen. Aber Sie dürfen nicht vergessen, es bestand die Möglichkeit, dass er England wieder verlassen hatte. Er hätte nach Frankreich zurückgekehrt sein können. Das hätte auch erklärt, warum er Newman und Thorpe keine Adresse hat zukommen lassen.«
    Ich dachte bei mir, dass Mr. Jonathan Tapley dabei war, sich eine glaubhafte Erklärung – andere hätten es Ausrede genannt – für sein Zögern zu konstruieren, mit der Polizei in Kontakt zu treten. Ich fragte mich, ob die Wahrheit tatsächlich so einfach war.
    »Soso«, sagte Dunn gedankenverloren, als ich ihm die Neuigkeiten berichtete. »Das ist ja eine ganz schön bewegte Vergangenheit, die Thomas Tapley hatte. Vielleicht hätten Sie Constable Biddle statt zu den Kaffeehäusern lieber zu den Bädern schicken sollen, Ross.« Er lehnte sich zurück und blickte mich stirnrunzelnd an.
    Das hieß nicht, dass er unzufrieden gewesen wäre. Es bedeutete lediglich, dass er im Geiste alles noch einmal überdachte und im Begriff stand, einen Aspekt vorzubringen, der ihm nicht gefiel. Er wählte seine Worte mit Bedacht.
    »Wir dürfen Jonathan Tapley nicht gegen uns aufbringen, Ross«, setzte der Superintendent vorsichtig an. »Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass wir in irgendeiner Hinsicht stümperhaft ermitteln. Er ist ein angesehener Anwalt, und sollten wir einen Fehler machen, beschwören wir damit den Zorn Tapleys und all seiner Kollegen auf uns herab! Nebenbei gesagt hat er viele hochrangige Freunde. Er hat Adlige vertreten, Parlamentsabgeordnete, alle möglichen Größen der Gesellschaft. Es darf keine Fehler geben! Jeglicher unnötige Skandal muss vermieden werden. Keine Schauergeschichten in der Boulevardpresse! Von nun an müssen sämtliche Nachforschungen mit dem größtmöglichen Fingerspitzengefühl erfolgen. Halten Sie Biddle da raus, es sei denn, es geht um die Befragung von Dienstpersonal. Das meiste kann Morris erledigen, aber keinesfalls soll er mit dem Anwalt reden. Die sensiblen Aufgaben werden Sie persönlich in die Hand nehmen.«
    »Wir können Jonathan Tapley nicht als Verdächtigen ausschließen, Sir.« Ich bemühte mich um Nachdruck, ohne streitlustig zu klingen. »Es sei denn natürlich, er hat ein Alibi für den Zeitraum, als der tödliche Überfall stattfand. Der Todeszeitpunkt kann relativ genau bestimmt werden. Der Pathologe ist sich sicher, dass Thomas Tapley noch nicht lange tot war, als er gefunden wurde. Die Gerichte hatten um diese Zeit bereits Feierabend. Doch falls Jonathan in seiner Kanzlei war, haben andere ihn dort gesehen. Falls er zu Hause war, kann jemand aus seinem Haushalt für ihn bürgen. Doch wir müssen herausfinden, wo er sich aufgehalten hat, und gehe ich recht in der Annahme, dass diese Aufgabe mir zufällt?«
    »Selbstverständlich, Ross!«, grollte Dunn verärgert. »Haben Sie mir nicht zugehört? Sie kümmern sich um die Dinge, die Takt erfordern. Nun verschwinden Sie schon, und sehen Sie zu, dass Sie diesen distinguierten Anwalt noch mal aufsuchen. Wenn es Ihnen gelingt, ihn zu Hause zu befragen, umso besser. Der Mann ist kein Dummkopf. Er wird damit rechnen, dass Sie wissen wollen, wo er zum fraglichen Zeitpunkt war.«
    »Und wird sich bereits ein Alibi beschafft haben, lange bevor er mich im Yard aufgesucht hat. Wie Sie bereits sagten, Sir, er ist kein Dummkopf.«
    Dunn blickte mich von der Seite an. »Halten Sie es ernsthaft für möglich, dass er seinem Cousin den Schädel

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