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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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Verbindung. Ich sollte Ihnen wohl ebenfalls kurz Nachricht geben. Wie ich das sehe, bin ich einer seiner Nachlassverwalter. Ich kann Ihnen Ihre Frage beantworten, wann man ihn zuletzt auf dem Kontinent gesehen hat, doch das gibt wahrscheinlich weitere Rätsel auf.«
    Er stand auf und fing an, mit auf dem Rücken verschränkten Händen im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Im vorletzten Jahr bin ich einem alten Bekannten begegnet, einem Schulkameraden. Wir unterhielten uns über dies und das und tauschten Geschichten aus, wie man das eben so macht. Plötzlich machte er eine Bemerkung, die mich völlig unvorbereitet traf.
    ›Übrigens bin ich kürzlich Tom Tapley über den Weg gelaufen. Ist er nicht dein Cousin?‹ Ich war völlig überrascht – und erschrocken. Hatte Tom sein Versprechen, außerhalb Englands zu bleiben, etwa gebrochen? ›Wo?‹, hakte ich nach. ›Beim Spaziergang am Strand von Deauville‹, berichtete er.
    Wie es aussieht, war Parker, das ist der Name meines alten Schulfreundes, am Strand von Deauville spazieren gegangen. Ein Gentleman mit einer weiblichen Begleitung am Arm kam ihm entgegen. Als sie sich genähert hatten, erkannte er Tom, dem er vor Jahren in London ein paar Mal begegnet war. Er sprach ihn an und fragte, ob er Thomas Tapley sei. Tom bestätigte dies und erkundigte sich, was Parker nach Deauville verschlagen hätte. Er antwortete, dass er gekommen sei, um sich die Pferderennen anzusehen. Tom erzählte, dass er mittlerweile in Frankreich wohnte und sich hier in Deauville von einer Krankheit erholte. Sie stimmten darin überein, wie belebend die Luft an der Küste war. Parker brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass Tom bald wieder genesen möge, und sie verabschiedeten sich. Parker hatte den Eindruck, dass Tom kein Interesse daran gehabt hatte, sich noch länger zu unterhalten, und dass ihm die Begegnung unangenehm gewesen war. Beide Parteien hatten ihre peinlichen Momente.«
    »Und die Begleiterin?«
    »Oh. Das war nach Parkers Worten das Merkwürdigste an der Sache. Sie klammerte sich während des ganzen Gesprächs an Tom, lächelte einfältig und machte Parker schöne Augen! Ich gebe nur wieder, was ich von Parker gehört habe. Tom machte keine Anstalten, seine Begleiterin vorzustellen, was mehr als seltsam war. Parker glaubt, dass sie Französin war, gut gekleidet und bereits in einem gewissen Alter. Vielleicht Anfang vierzig. Doch ihr Verhalten und ihre Ausstrahlung machten ihn nervös. Seiner Meinung nach war sie entschieden halbseiden. Er war ziemlich überrascht, denn er wusste, dass Tom sich nicht für Frauen interessierte, zumindest nicht in dieser Hinsicht. Tom war der Letzte, den man mit einer Kurtisane zu sehen erwartet hätte.«
    »Was hielten Sie davon?«, hakte ich nach.
    »Ich nahm an, dass Tom eine weitere ältere Lady getroffen hatte, die ihn umsorgte. Doch ich teilte Parkers Unbehagen – die älteren Frauen, die ihn bisher unter ihre Fittiche genommen und ihn umsorgt hatten, waren stets von untadeligem Ruf gewesen. Andererseits besuchen heutzutage selbst Personen von makelloser Reputation das Seebad Deauville! Ich glaube, selbst die Kaiserin Eugénie wurde bereits dort gesehen. Doch das Seebad ist auch als ein Ort bekannt, wo Männer sich eine Geliebte suchen, auch wenn es dort vielleicht nicht ganz so schlimm sein mag wie im benachbarten Trouville. Küstenstädte haben oftmals einen fragwürdigen Ruf, hier wie dort. Deshalb war Parker auch so verblüfft.«
    »Haben Sie Ihrem Cousin darüber geschrieben?«
    »Ich hatte zur Feder gegriffen, doch ich habe den Brief unbeendet zerrissen. Es ging mich nichts an. Mein Cousin war ein freier Mann. Abgesehen davon, was wäre gewesen, wenn Tom geantwortet hätte, die Frau wäre die Ehefrau eines Freundes gewesen, die er aus Gefälligkeit begleitet hatte? Ich hätte wie ein Narr geklungen, wenn ich ihm etwas anderes unterstellt hätte. Wenn eine Sache sicher ist, dann, dass Tom noch nie eine Geliebte hatte.«
    »Eine letzte Frage noch, Mr. Tapley«, sagte ich, während ich Vorbereitungen traf, mich aus den Tiefen des Sessels zu schälen. »Sie haben mich umgehend aufgesucht, nachdem Sie gelesen haben, dass eine Leiche entdeckt wurde. Was führte Sie zu der Annahme, es könnte sich bei der Leiche um ihren Cousin handeln?«
    Jonathan Tapley zog die schwarzen Augenbrauen hoch. »Werter Inspector, mein Cousin war verschwunden! Er hatte es versäumt, seine Anwälte über seinen neuen Wohnort in Kenntnis zu setzen, wie er es

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