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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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wo sich ein älterer Gehilfe mit ächzenden Gelenken erhob, um uns zu begrüßen. Er sah aus, als hätte er bereits als Lehrling in den Tagen von Mr. Thorpe Senior hier angefangen und sein gesamtes Berufsleben in der Kanzlei verbracht.
    »Das ist er, Walter«, verkündete Barnes. »Inspector Ross vom Scotland Yard unten in London. Wir kriegen Besuch von den Spitzenleuten!« Er versetzte mir einen weiteren mächtigen Prankenhieb auf die Schulter. »Wir sehen uns später, Kollege«, sagte er und wandte sich zu meiner Erleichterung zum Gehen.
    Walter musterte mich schweigend und misstrauisch von oben bis unten. Ich wusste nicht, ob ihm klar war, aus welchem Grund ich hergekommen war.
    »Wenn ich richtig informiert bin, erwartet Mr. Thorpe – der junge Mr. Thorpe – mich bereits«, sagte ich.
    »Ich habe keine Feuerglocke gehört«, entgegnete Walter. »Alles zu seiner Zeit, junger Mann. Die Leute aus London haben es immer furchtbar eilig, wie man hört. Ich bringe Sie zu ihm.«
    Er schlurfte vor mir her zu einer Tür, öffnete sie und brachte es fertig, recht geschickt hindurchzuschlüpfen und sie hinter sich wieder ins Schloss zu werfen, sodass ich allein zurückblieb und auf die Eichenpaneele starrte.
    »Es ist dieser Bursche aus London«, hörte ich ihn hinter der Tür sagen.
    Ein Stuhl wurde gerückt, ein paar rasche Schritte, und dann wurde die Tür weit geöffnet.
    »So kommen Sie doch herein!«, krähte ein gut gelaunt aussehender, rotgesichtiger Mann mit lockigen Haaren. »Setzen Sie sich! Ja, ja, Walter, es ist gut.« Er schloss die Tür und sperrte meine Eskorte aus. »Machen sie sich nichts aus Walter«, sagte er. »Er ist ein äußerst misstrauischer alter Bursche, wissen Sie? Er mag keine Fremden.«
    »Dann haben Sie es hauptsächlich mit wiederkehrenden Klienten zu tun?«
    »Hauptsächlich, ja«, pflichtete Thorpe mir bei. »Ein Glas Sherry?«
    »Danke, gerne«, sagte ich. »Ich bin zwar im Dienst, aber es war eine lange Reise hierher.«
    Thorpe beugte sich vor. »Wenn Sie möchten, schicke ich jemanden in ein Pub, um uns einen Krug Ale zu holen.«
    »Das wäre noch besser«, gestand ich. »Aber wie lange braucht Walter, um ihn zu holen?«
    Fred Thorpe kicherte. »Er wird nicht selbst gehen, keine Sorge. Er schickt Charlie, unseren Botenjungen.«
    Ich fragte nicht, wie alt Charlie war. Wie die Dinge bei Newman und Thorpe standen, vermutlich wenigstens sechzig.
    Fred lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Sie sind wegen dem armen alten Tom Tapley gekommen, richtig?«
    »Das ist richtig. Offensichtlich haben Sie bereits gehört, dass er tot ist. Darf ich fragen – hat Barnes Ihnen davon erzählt, oder haben Sie es in der Zeitung gelesen?«
    »Wir bekommen die Londoner Abendzeitungen nicht, aber heute Morgen stand ein Bericht in der Times .« Er klopfte auf eine zusammengefaltete Zeitung auf seinem Schreibtisch.
    »Leider habe ich ihn nicht gelesen«, gestand ich bedauernd. Im Zug hatte ich die Frühausgabe des Morning Chronicle gelesen. Das Blatt hatte einen Großteil seiner heutigen Ausgabe der Forderung nach Reformen gewidmet. Der Tod des armen Tapley war kein Aufhänger für die sozialen Bedingungen gewesen. Er war nicht in einem heruntergekommenen Slum an Cholera gestorben, sondern im Haus einer respektablen Quäkerwitwe. Vielleicht wartete der Chronicle nach dem Bericht über den Fund des Toten ab, bis wir eine Verhaftung vorgenommen hatten. Er würde einen Reporter schicken, um über die Gerichtsverhandlung zu berichten und seine Zeilen mit sensationellen Einzelheiten füllen. Ich hoffte sehr, dass die Presse nicht viel länger warten musste. Schließlich war das der Grund für meine Fahrt nach Harrogate gewesen: die Suche nach einer Spur. Ich spürte einen kindischen Impuls, die Finger zu kreuzen.
    »Wie es der Zufall will, hatte ich die traurige Neuigkeit bereits von Sam Barnes erfahren«, berichtete der Anwalt weiter. »Er kam gestern Abend her, um einen Termin für heute zu vereinbaren und sicherzustellen, dass ich im Haus bin, wenn Sie ankommen. Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, Inspector Ross. Ich hätte mich ansonsten selbst mit Ihnen in Verbindung gesetzt.« Er zögerte. »Ich muss mit Jonathan Tapley in Kontakt treten, obwohl ich zu sagen wage, dass ich schon bald von ihm hören werde, auch wenn ich mich nicht melde.«
    »Ich denke, da haben Sie ganz recht«, pflichtete ich ihm bei. »Mr. Jonathan Tapley denkt, dass er als Vollstrecker eingesetzt wurde oder zumindest einer der

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