Ein guter Blick fürs Böse
aufgesprungen und hätte gebrüllt. Ich bemerkte, wie ihre Selbstsicherheit entschieden schwand, je weiter sie mit ihrem Bericht kam. Trotzdem. Lizzie war nun einmal Lizzie, und sie redete tapfer weiter. Ich erfuhr von ihrem Besuch bei Jenkins und ihrer nachfolgenden Unterhaltung mit Flora Tapley. Irgendwann zwischendurch kam Bessie in den Raum und stand nun schützend hinter Lizzie, während sie mich nervös beobachtete.
Schließlich senkte sich Stille herab, durchbrochen lediglich vom unnatürlich laut wirkenden Ticken der Kaminuhr. Vielleicht war ich auch nur betäubt. Schließlich hörte ich mich selbst sprechen – oder besser krächzen.
»Du kommst besser mit mir zum Yard, meine Liebe. Du kannst Superintendent Dunn deine Geschichte selbst erzählen. Er wird dir eine Menge Fragen stellen, und er wird verlangen, dass du ein schriftliches Protokoll abgibst.«
»Oh, das habe ich bereits fertig«, sagte meine Frau, indem sie wieder Oberwasser witterte. »Ich habe gleich gestern Abend alles aufgeschrieben.« Sie erhob sich und ging ein paar dicht beschriebene Blätter Papier holen, die sie mir reichte. Während ich ihren Bericht schweigend las, fragte sie leise: »Ist das offiziell genug?«
»Wenn er vollständig ist und korrekt und du ihn unterschrieben und mit einem Datum versehen hast, wie ich es gerade feststelle, dann ja, dann ist er offiziell genug. Dir ist bewusst, Lizzie, dass dieser Bericht hier …«, ich schwenkte die Blätter durch die Luft. »… dass dieser Bericht und dein Verhalten möglicherweise das Ende meiner Karriere bedeuten?«
»Mir ist bewusst, dass Mr. Dunn aufgebracht sein wird«, erwiderte meine Frau. »Aber er ist ein intelligenter Mann, und er kann die Bedeutung dessen, was ich herausgefunden habe, nicht ohne Weiteres von der Hand weisen, meinst du nicht?«
Ich rieb mir mit der Hand über das Gesicht und erhob mich schweigend. Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte Angst zu reden, weil ich befürchtete, dass ich nicht wieder aufhören konnte, wenn ich einmal angefangen hatte. Also ging ich nach draußen in die Halle und holte meinen Mantel von dem Haken, wo Bessie ihn aufgehängt hatte. Hinter mir hörte ich, wie Bessie meiner Frau zuflüsterte: »Er hat es bemerkenswert ruhig aufgenommen, Missus, oder nicht?«
Unglücklicherweise nahm Superintendent Dunn Lizzies Geschichte nicht annähernd so ruhig auf. Sein kurz geschorenes Haar stand noch mehr zu Berge als für gewöhnlich. Seine Gesichtsfarbe war Dunkelrot. Auf seiner Stirn standen dicke Schweißperlen. Er schien einige Mühe beim Atmen zu haben. Ich überlegte bereits, ob ich Hilfe oder wenigstens ein Glas Wasser holen sollte, doch in diesem Moment fand er seine Sprache wieder.
»Ich bin bestürzt, Mrs. Ross. Ich bin zutiefst bestürzt. Sie haben eine Art, Ihre Nase …«, er hatte Mühe, sich höflich auszudrücken. »Sie haben ein ungewöhnlich lebhaftes Interesse für Kriminalfälle und scheuen sich nicht, Ihre Meinung zum Besten zu geben. Einige Ihrer Anmerkungen in der Vergangenheit waren, wie soll ich es sagen? Sehr treffend, das will ich gar nicht bestreiten. Aber das hier …«, Dunns zitternder Zeigefinger verharrte über Lizzies Aussage. »Das hier geht zu weit, entschieden zu weit. Sie hätten sich sofort an die Polizei wenden müssen, als Sie in den Besitz der Visitenkarte dieses sogenannten privaten Ermittlungsagenten gelangten …« Seine ohnehin rote Gesichtsfarbe wurde besorgniserregend dunkel. »Sie hätten den Vorfall melden und die Karte einem Beamten übergeben sollen. Naheliegenderweise Ihrem Ehemann oder in seiner Abwesenheit einem Beamten hier beim Scotland Yard. Beispielsweise mir.«
»Aber ich wusste doch gar nicht, wer Jenkins war!«, protestierte Lizzie. »Und ich wusste zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht, dass er der Clown war!«
Dunn zog die Schultern ein und beugte sich vor. »Ja, diese Geschichte mit dem Clown …«
An dieser Stelle glaubte ich, Lizzie zu Hilfe kommen zu müssen. »Meine Frau hat sich an mich gewandt und mir von diesem Clown bei der Brücke erzählt, Sir«, sagte ich.
»Und hat sie Ihnen auch gesagt, dass dieser Clown anscheinend Tapley verfolgte?«, schnappte der Superintendent und richtete seine Aufmerksamkeit auf mich.
»Jawohl, Sir. Doch zum damaligen Zeitpunkt hielt ich es für sehr unwahrscheinlich. Es tut mir leid, doch ich muss gestehen, dass ich ihren Verdacht vorschnell abgetan habe.«
»Das kommt daher, dass er weiß, dass ich Angst habe vor Clowns. Ich
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