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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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seine Vorgesetzten weiterzugeben, doch es war eine Menge zu erklären für einen jungen Constable wie Biddle. Ich hatte keine Ahnung, wie verzerrt meine Erzählung bei Superintendent Dunn ankommen würde. Abgesehen davon war es besser, wenn die Tatsache, dass ich auf eigene Faust ermittelt hatte (›mich eingemischt‹, wie Dunn es zweifellos nennen würde), durch Ben weitergegeben wurde. Dunn war ohnehin der Meinung, dass ich meine Nase zu sehr in Polizeiangelegenheiten steckte. Ich konnte mir seine erste Reaktion allzu deutlich vorstellen. Doch nicht einmal Dunn wäre imstande zu bestreiten, dass ich eine Reihe von Fakten gefunden hatte, die von entscheidender Bedeutung für die Ermittlungen waren. Ben würde morgen nach Hause kommen, und ich würde ihm alles erzählen. Alles – bis auf die Sache mit dem Burschen im Tweedanzug, heißt das. Er würde mir nur einen Vortrag halten, wie töricht es sei, ohne Sinn und Zweck durch die Straßen zu wandern mit nichts als einem sechzehn Jahre alten Dienstmädchen als Eskorte. Abgesehen davon wollte ich mir den Mann aus dem Kopf schlagen, so schnell es ging. Doch er blieb einfach dort mit seinen dunklen Augen und den glänzend weißen Zähnen, die in den grünen Apfel bissen. Es war ein Bild, das mich nicht wenig irritierte.
    Weiteres Lachen aus der Küche, diesmal von Biddle, der sich Bessies fröhlichem Kichern anschloss. Ich hoffte, ich hatte keine Dummheit gemacht, als ich die beiden zusammen in die Küche geschickt hatte. Dann kam mir der alarmierende Gedanke, dass sie Biddle möglicherweise von unseren Abenteuern an diesem Tag erzählen würde. Aber nein. Bessie war diskret. Sie hatte den Kopf richtig herum auf den Schultern sitzen.
    Aus der Küche kam ein weiterer Schwall glockenhellen Gelächters. Nun ja. Hoffentlich hatte ich Recht mit meiner Einschätzung.

KAPITEL ZWÖLF
    Inspector Benjamin Ross
    Ich nahm den Frühzug von Harrogate und musste unterwegs lediglich einmal umsteigen, bevor ich am späten Vormittag in London eintraf. Vielleicht hätte ich direkt zum Scotland Yard gehen und meinen Bericht abliefern sollen. Doch ich beschloss, zuerst nach Hause zu fahren, mich ein wenig frisch zu machen, meine Tasche abzuladen und mich zu überzeugen, dass alles in Ordnung war. Wie sich herausstellen sollte, war die Entscheidung goldrichtig gewesen. Ich hätte nicht für möglich gehalten, was Lizzie mir alles zu erzählen hatte.
    »Es ist gut, dass Sie zuerst nach Hause gekommen sind, Sir«, begrüßte mich Bessie unheilverheißend, als sie mir die Tür öffnete.
    »Warum, was ist denn passiert?«, fragte ich erschrocken.
    »Sie würden es nicht erraten, so viel steht fest«, sagte sie und nahm meinen Mantel. »Oh, keine Sorge, wir sind wohlauf und munter. Aber wir hatten unglaubliche Abenteuer, die Missus und ich!«
    Die erste Erleichterung, weil beide wohlauf und munter waren, verging beim Klang des Wortes »Abenteuer« sogleich wieder und wich einer tiefen Beunruhigung.
    »Missus!«, rief Bessie nach hinten über die Schulter. »Der Inspector ist nach Hause gekommen!«
    Ich fragte mich, ob sie sich jemals zu der Sorte von Dienstmädchen entwickeln würde, die Besucher in den Salon führen und ihr Eintreffen mit einem respektvollen Knicks melden würde. Doch dann kam Lizzie herbeigerannt, um mich zu begrüßen, und ich vergaß Bessie wieder.
    »Nun denn«, sagte ich, als ich mit einer Tasse Tee vor meinem Kamin Platz genommen hatte. »Was sind das für unglaubliche Abenteuer, von denen Bessie geredet hat?«
    »Ich habe ihr gesagt, dass sie den Mund halten soll, bevor ich mit dir geredet habe!«, erwiderte Lizzie ungehalten. »Ich nehme an, sie konnte sich einfach nicht beherrschen. Erzähl mir zuerst, ob deine Reise nach Harrogate erfolgreich war.«
    »Sie war ein voller Erfolg, danke sehr. Alle waren sehr freundlich, und ich habe ein oder zwei interessante Dinge erfahren. Ich muss so bald wie möglich zum Yard und Bericht erstatten, also bitte, Lizzie, erzähl mir nur schnell, was du gemacht hast. Was auch immer es sein mag, wenn es in irgendeinem Zusammenhang mit diesem Fall steht, muss ich es erfahren, bevor ich Dunn sehe. Und ich habe eine schlimme Ahnung, dass es mit dem Fall zu tun hat.«
    Lizzie verschränkte die Hände im Schoß, atmete einmal tief durch und begann zu erzählen. Ich nehme an, sie erwartete, dass ich sie häufig unterbrechen würde. Doch meine Bestürzung war derart groß, dass ich sprachlos lauschte. Das verunsicherte sie mehr, als wäre ich

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