Ein guter Jahrgang-iO
Wort in einem Ton zu äußern, als sei der Anruf in einem besonders ungünstigen Moment erfolgt.
Die Stimme, die der Sekretärin von Maître Auzet gehörte, wie sich herausstellte, verlor einen gut Teil ihrer Frostigkeit, als Max erklärte, er sei der Neffe von Henry Skinner und Erbe seines Besitzes. Nach mehreren kurzen Pausen, die Gelegenheit für eine Konsultation mit dem Maître höchstselbst boten, wie Max vermutete, konnte er für den folgenden Nachmittag einen Termin bekommen. Max trank seinen Kaffee aus und begab sich auf die Suche nach einem Reisebüro.
»Mit der Air France nach Marseille?« Die junge Frau am Schreibtisch machte sich nicht einmal die Mühe, ihren Computer zu konsultieren. »Da haben Sie Pech, Sir. Air France hat ihre Direktflüge von London nach Marseille eingestellt. Ich könnte es bei British Airways versuchen.«
Er hatte eine tiefe Abneigung gegen sämtliche Fluggesellschaften entwickelt, seit eine von ihnen seinen Koffer verloren und Max fälschlicherweise bezichtigt hatte, den Aufkleber nicht richtig ausgefüllt zu haben. Als der Koffer ihm endlich doch noch überstellt worden war, trug er immer noch die Spuren des Reifens, der ihn auf dem Rollfeld platt gewalzt hatten. Es war weder eine Entschuldigung noch eine Entschädigung erfolgt. Wenn er es nicht so eilig gehabt hätte, in die Provence zu gelangen, wäre er mit dem Zug gefahren.
Wie sich herausstellte, waren die Direktflüge ohnehin ausgebucht, und so musste er mit einem kurzen Sprung nach Paris und einer Anschlussmaschine vorlieb nehmen, die um die Mittagszeit in Marseille landen sollte. Das Ticket sicher in seiner Tasche verstaut, legte er einen Zwischenstopp bei seiner Bank ein und verbrachte den Rest des Tages mit der Erledigung häuslicher Pflichten. Schließlich war es ja durchaus möglich, dass er länger fernbliebe.
Am Abend, nachdem er seine Siebensachen gepackt hatte, schenkte er sich den restlichen Wodka ein und blickte aus dem Fenster in den Dunst hinaus, der heraufgezogen war, um ihm den Ausblick auf den Sonnenuntergang zu verwehren. Das Gefühl der Spannung und Aufregung, das ihn den ganzen Tag begleitet hatte, verstärkte sich. Morgen würde er die Sonne sehen und in einem fremden Bett schlafen, vielleicht in seinem eigenen, noch fremden Bett, sofern es keine Probleme mit der Erbschaft gab. Leicht benommen angesichts der Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen, änderte er die Ansage auf seinem Anrufbeantworter: »Bin in Frankreich. Komme in sechs Monaten zurück. Vielleicht.«
* * *
Heathrow war so niederdrückend und chaotisch wie immer, und das Wetter in Paris war durchwachsen. Erst als sich das Flugzeug südlich von St. Etienne befand, riss die Wolkendecke auf, und Max konnte den postkartenblauen Himmel sehen, so weit das Auge reichte. Als er den Flughafen von Marignane verließ und zum Mietwagenbereich ging, traf ihn die Hitze wie ein heilsamer Schock. Taxifahrer mit kurzen Ärmeln und Sonnenbrille standen untätig im Schatten neben ihren Autos herum, blickten den Mädchen in ihren Sommerkleidern nach. Eine leichte Brise wehte einen Hauch Diesel herüber, beschwor Erinnerungen herauf, die Max stets mit Frankreich in Verbindung brachte, und jede Kante in den Kalksteinklippen hinter dem Flughafen wirkte in der leuchtenden Klarheit des Lichts messerscharf und genau umrissen. Ein Licht wie für Maler gemacht. Seine Londoner Kleidung kam ihm mit einem Mal schwer und farblos vor.
Als er sich in seinem Renault auf den Weg in den Luberon machte, kam ihm die Landschaft neu und vertraut zugleich vor, erinnerte ihn an die Sommerferien vor langer Zeit, als Onkel Henry ihn vom Flughafen abgeholt hatte. Er verließ die N7 und bog nach Rognes ab, folgte der schmalen Straße, die sich durch Pinien- und Steineichenhaine schlängelte, während ein laues Lüftchen durch das offene Fenster ins Wageninnere strömte und Patrick Bruel im Radio » Parlez-moi d'amour« flüsterte, mit einer honigsüßen Stimme, die einen Stein erweicht hätte.
Doch jeder Gedanke an amour wurde von dem zunehmend dringlicheren Bedürfnis verdrängt, sich zu erleichtern. Max fuhr an den Straßenrand, parkte seinen Mietwagen neben einem staubigen weißen Peugeot und schlug sich ins Gebüsch. Er stieß auf den Fahrer, der seinen Posten bereits bezogen hatte, und sie nickten einander zu, zwei Männer mit der gleichen Mission, die keinen Aufschub duldete.
Nach einer Weile brach Max das Schweigen. »Schöner Tag heute. Herrlicher
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