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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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Sonnenschein.«
    »C'est normal.«
    »Nicht da, wo ich herkomme.«
    Der Mann zuckte die Schulter, zog den Reißverschluss hoch und nickte ihm abermals zu, bevor er zu seinem Auto zurückkehrte und Max seinen Gedanken überließ, die sich um den ungezwungenen Umgang der Franzosen mit den Körperfunktionen rankten. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich die gleiche Episode an der Kingston-Umgehungsstraße in England zugetragen haben könnte, und wenn dann nur in einer hochnotpeinlichen Atmosphäre, mit schuldbewussten Blicken über die Schulter, in ständiger Angst, von einem vorüberfahrenden Streifenwagen der Polizei in flagranti erwischt und wegen unschicklicher Entblößung hinter Schloss und Riegel gebracht zu werden.
    Er passierte die Brücke über die Durance, eigentlich ein rauschender Fluss, der aber infolge der frühsommerlichen Dürreperiode zu einem schlammigen Rinnsal geschrumpft war, und gelangte in das département Vaucluse. Der Luberon lag unmittelbar vor ihm - mit einer Reihe niedriger, gerundeter Hügel, weich konturiert durch eine Decke aus immergrünen Zwergeichen, ein anheimelndes, fotogenes Fleckchen Erde, das unpassenderweise als Bilderbuchidylle beschrieben worden war. Zugegeben, die Berge waren wirklich eine Augenweide, aus der Ferne betrachtet. Wie Max im Zuge seiner kindlichen Forschungsexpeditionen hatte erfahren müssen, waren die Hänge steiler und höher, als es auf den ersten Blick schien: Das nackte Felsgestein unter den Zwergeichen war so scharf wie Korallen, und der Auf- und Abstieg eine Tortur.
    Er bog von der Hauptstraße ab, folgte den Wegweisern nach St. Pons und fragte sich gespannt, ob sich das verschlafene Nest in den Jahren seit seinem letzten Besuch wohl verändert hatte. Vermutlich nicht. Dem Ort fehlten zwei wichtige Voraussetzungen, um in Mode zu kommen: zum einen lag es auf der falschen Seite des Luberon, und zum anderen konnte St. Pons im Gegensatz zu den anderen kleinen Dörfern - Gordes, Menerbes, Bonnieux, Roussillon, Lacoste - nicht den Anspruch erheben, ein village perché zu sein, da es nicht wie ein Adlernest auf dem Gipfel eines Steilhanges klebte, sondern in der Ebene errichtet war. Vielleicht hatte dieser Mangel an landschaftlicher Erhabenheit das Naturell der Bewohner beeinflusst, denn sie waren in der Gegend dafür bekannt, aufgeschlossener und gastfreundlicher als ihre Nachbarn im Norden zu sein, die zeitlebens hoch droben auf ihren Klippen hockten und einander noch vor wenigen Jahrhunderten jahrelang befehdet hatten.
    Eine lange Platanenallee bildete einen malerischen, natürlichen Eingang zum Dorf. Die Bäume waren, wenn man solchen Schnörkeln der Geschichtsschreibung Glauben schenken darf, wie jede andere Platane in der Provence von Napoleon gepflanzt worden, damit sie seinen Armeen Schatten spendeten. Die Chronologen haben gleichwohl zu erklären versäumt, wie der alte Haudegen angesichts dieser rastlosen Gartenarbeit jemals Zeit fand, den Code civil zu entwerfen und sich Joséphine zu widmen.
    Er parkte den Wagen im Schatten und schlenderte zum Marktplatz hinüber. Der sah im Wesentlichen so aus, wie Max ihn in Erinnerung hatte: ein Café, eine Stehkneipe, das Rathaus und ein Springbrunnen. Die einzige Veränderung war ein kleines Restaurant, dessen Tische unter den Sonnenschirmen alle besetzt waren: Die Gäste verzehrten immer noch in aller Ruhe ihr Mittagessen. Was hatte sich früher an dieser Stelle befunden? Vermutlich der Dorfbarbier. Dann erinnerte Max sich verschwommen, dass ihm das Haar von einer großen, parfümierten Frau geschnitten worden war, deren Busen, gegen sein Ohr geklemmt oder direkt vor ihm in Augenhöhe, seine pubertäre Phantasie entzündet hatte.
    Vom Marktplatz zweigten schmale, schattige Gassen ab, kaum breiter als ein Bürgersteig. Über den Türen der Bäckerei und Metzgerei hingen Schilder, und an einer Ecke war ein weiteres Schild mit der Aufschrift Notaire angebracht, mit abblätternden, von der Sonne ausgebleichten Schriftzügen und einem Pfeil, der die Straße entlang wies. Max Skinner sah auf seine Uhr und stellte fest, dass ihm bis zu seinem Termin noch eine halbe Stunde Zeit blieb, die er irgendwie totschlagen musste. Die Sonne brannte auf seinen Scheitel hinab. Er schlenderte ins Café, nickte einer Gruppe alter Männer zu, die ihr Kartenspiel unterbrachen, um den Fremden im Anzug in Augenschein zu nehmen, und bestellte einen pastis.
    Die Bedienung hinter dem Tresen deutete mit einer weit

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