Ein guter Jahrgang-iO
offensichtlich geändert. Ein Typ aus unserem Seminar, der für einen der wirklich großen Weinspediteure arbeitet, hat mir alle möglichen faszinierenden Dinge erzählt. Garagenweine, beispielsweise. Hast du jemals etwas von Garagenweinen gehört?«
Max schüttelte den Kopf.
»Gemeint sind exklusive Weine; wenn du dich wichtig machen willst, könntest du sie auch als Designerweine oder Haute-Couture-Weine bezeichnen. Kleine Spitzenweingüter, kleine Produktionsmenge, Mammutpreise. Château Le Pin ist im Augenblick vermutlich der bekannteste Erzeuger. Fünftausend Pfund kostet die Kiste im Schnitt, manchmal sogar mehr. Und das ist ein Wein, den man nicht ewig lange lagern und trinken kann. Nicht schlecht also, wenn man derjenige ist, der die Trauben anbaut, oder? Und auf zwanzig Hektar kann man eine Menge Trauben anbauen.« Charlie betrachtete seinen Freund mit dem langen, eindringlichen Blick - Kopf leicht gebeugt, Augen unter der gerunzelten Stirn nach oben gerichtet -, den er mit durchschlagender Wirkung bei Frauen benutzte oder wenn er seinen Klienten ein besonders teures Objekt schmackhaft zu machen versuchte.
Max konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als sollte er, und dies nicht einmal auf besonders subtile Weise, in eine neue berufliche Laufbahn zwischen Weinreben gelotst werden. Je tiefer der Weinpegel in der Karaffe sank, desto mehr verfestigte sich dieser Eindruck. Irgendwann verzichtete Charlie vollends auf Argumente und appellierte nur noch an Gefühle und an Wünsche, die er im Unterbewusstsein seines Freundes vermutete. »Kauf dir eine Baskenmütze!«, rief er. »Lern Traktor fahren! Mach dir zur Abwechslung einmal die Hände schmutzig! Du wirst sehen, das macht Spaß.«
Sie aßen und tranken im vertrauten Schweigen alter Weggefährten, wobei Charlie sein Gegenüber von Zeit zu Zeit verstohlen musterte, als versuchte er, dessen Gedanken zu lesen. Max hatte indes selber Schwierigkeiten, aus seinen widersprüchlichen Impulsen und Gedankenfetzen schlau zu werden. Veränderungen hatten ihn schon immer magisch angezogen, und die Vorstellung, das regnerische, trost- und stellenlose London zu verlassen, um es gegen den warmen, lichten Süden einzutauschen, stellte eine gewaltige Verlockung dar. Außerdem reizte es ihn, die Realität an seinen Erinnerungen aus der Jugend zu messen: War das alte Haus wirklich so groß, wie es ihm vor Augen stand; hatten die Zimmer des Herrenhauses immer noch den trockenen, stechenden Geruch von Kräutern und Lavendel; war die Geräuschkulisse eines Sommernachmittags immer noch die gleiche; waren die Mädchen im Dorf immer noch so hübsch wie früher?
Bedauerlicherweise befand sich keinerlei Startkapital in seinem Nostalgie-Budget. »Das Problem ist, ich bin blank«, sagte er. »Blanker als blank. Miete, Kreditkarten, Schulden der einen oder anderen Art - mir steht das Wasser bis zum Hals. Ich kann es mir nicht leisten, mit fliegenden Fahnen nach Südfrankreich abzuhauen. Ich muss mir einen neuen Job besorgen. So einfach ist das.«
»Lass uns Käse zum restlichen Wein bestellen, ja? Und ich werde dir erklären, warum gerade das nicht so einfach ist.« Charlie beugte sich über den Tisch und trommelte mit dem Finger auf die Tischdecke, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Erstens bist du an einem Punkt deines Lebens angelangt, an dem du eine beneidenswerte Freiheit genießt. Keine Termine, keine Konferenzen, keine Pflichten und Verantwortlichkeiten...«
»Kein Geld.«
»... ein Detail, auf das ich gleich näher eingehen werde. Du hast jedenfalls einen Wendepunkt in deinem Leben erreicht, der wie geschaffen dafür ist, dir eine Auszeit zu nehmen, dir anzuschauen, was das Schicksal und Onkel Henry dir in den Schoß gelegt haben, und zu entscheiden, wie es weitergehen soll. Das Wetter da unten ist herrlich, und der kleine Abstecher wird dir gut tun. Und deinen zarten Wangen wieder einen rosigen Schimmer verleihen.«
»Charlie, du...«
»Lass mich ausreden. Schlimmstenfalls kannst du immer noch beschließen, das Haus zu verkaufen; in diesem Fall wendest du dich an einen Immobilienmakler aus der Umgebung, wenn du dort unten bist. Und bestenfalls... nun, bestenfalls beschließt du, zu bleiben und das zu tun, was ich auch gern täte: einen Spitzenwein erzeugen, klein, aber fein. Kannst du dir ein schöneres Leben vorstellen? Angenehme Arbeitsbedingungen, der Rubel rollt und Wein bis zum Abwinken, kostenlos. Ein Paradies auf Erden.«
Wie immer, wenn Charlie einer
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