Ein guter Mann: Roman (German Edition)
wenn er sagt: Die wollen das gar nicht?«, fragte Müller.
»Na ja, ich denke mal, die Christlichen oder so. Ich habe jedenfalls den Eindruck: Der Helmut wird immer einsamer. So klingt er auch am Telefon, eine lange Zeit schon, seit Jahren. Er ist mächtig, na klar, aber ich glaube nicht, dass er Freunde hat oder Frauen, zum Beispiel.«
»Wann haben Sie denn das letzte Mal mit ihm gesprochen?«
»Das muss vor vier Wochen gewesen sein oder so.« Sie sah ihn aufmerksam an, sie räusperte sich. »Sie machen keine Broschüre über ihn, nicht wahr? Sie jagen ihn. Oder?«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Müller und tat erstaunt.
»Na ja, weil Sie die offiziellen Daten über ihn doch schon alle haben, oder? Und weil Sie so nachbohren.«
»Richtig. Aber wir wollen eben sichergehen, dass nichts gegen ihn spricht. So einfach ist das.«
Sie glaubte ihm nicht ganz, sie zweifelte. »Warum fragt man eine alte Ehefrau? Also, ich könnte es ja verstehen.«
»Was könnten Sie verstehen?«
»Dass jemand hinter ihm her ist. Er denkt ja, er muss nirgendwo Steuern zahlen. Wollen Sie Geld von ihm? Oder irgendetwas in der Art?«
»Nein«, antwortete Müller entschieden. »Das wirklich nicht. Der Mann interessiert mich. Irgendwie auch privat. Und diese Kombination in seinem Leben, dieses Kirche und Geschäft, das ist ja nun wirklich faszinierend, oder? Wissen Sie, ob er für das Opus Dei arbeitet?« Du lieber Himmel, jetzt bin ich auf dünnem Eis, dachte er.
»Er hat mal so etwas angedeutet. Aber das ist ja nun sehr lange her.«
»Ich bin Ihnen jedenfalls dankbar für die Auskünfte. Er ist schon ein sehr besonderer Mann.«
»Ja«, sagte sie zögernd. »Das ist er wohl. Und wenn die Broschüre erscheint, kann ich dann eine haben?«
»Natürlich.« Dann reichte Müller ihr die Hand und ging hinaus. Ein fades Gefühl erfüllte ihn.
Er rief Goldhändchen an und sagte: »Hol mir bitte alles zusammen, was du vom Bundestagsabgeordneten Franz-Xaver Buchwinkel finden kannst.«
»Hast du etwas Besonderes ausgegraben?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber er ist mir gerade zum zweiten Mal in kürzester Zeit untergekommen. Das gibt zu denken.«
Dann wählte er Krauses Nummer und sagte knapp, er käme jetzt heim und müsse erst einmal darüber nachdenken, was er erfahren habe.
»Und noch immer nichts von Achmed?«
»Nichts. Dabei haben wir sicher dreihundert Fahnder in der Stadt. Die haben bis jetzt sechshundert Personen beiderlei Geschlechts aufgetrieben, die ohne Papiere leben. Das Übliche eben. Wir haben sechzehn Gruppen aus dem ehemaligen Ostblock festgestellt, die in Berlin arbeiten. Ohne Papiere, ohne Aufenthaltsgenehmigung. Mehr als vierhundert Leute. Das Kurioseste ist ein Berliner, der einen Schrebergarten mit einem Holzhäuschen drauf hat. Er hat das Ding vermietet an sechzehn Polen, die abwechselnd in drei provisorischen Betten schlafen und alles an Arbeit verrichten, was man sich vorstellen kann. Diese Stadt ist verrückt. Und dann noch diese Touristen, die keine sind.«
»Ich komme rein«, sagte Müller und unterbrach die Verbindung.
Er rief Karen an und sagte ohne Übergang: »Ich rufe dich an, weil ich mich entschuldigen will. Es war nicht gut, was ich da angerichtet habe.«
»Ja«, antwortete sie einfach.
»Bist du noch in Berlin?«
»Ja. Die Liberalen wollen den Vertrag ausdehnen.«
»Könnten wir uns sehen?«
»Wo bist du denn?«
»In Bremen«, sagte er. »Ich fahre jetzt zurück und melde mich, wenn ich in Berlin bin.«
Er fuhr schnell, bis er durch den dichten Verkehr aufgehalten wurde, der vor Hamburg einsetzte.
Er dachte an seine Tochter Anna-Maria, an seinen Vater, der nun beerdigt war, an seine Mutter, die wahrscheinlich unverdrossen ihr neues Leben angehen würde. Er dachte an Karen und überlegte, was er ihr erzählen konnte. Und er dachte an Achmed, der spurlos verschwunden war, so, als habe es ihn nie gegeben. Dann begannen die Gedanken sich zu verwirren.
Müller rief erneut Krause an.
»Haben Sie ein paar Minuten? Können Sie mir das Opus Dei schildern, meine Vorstellungen davon sind nur vage.«
»Sie haben wahrscheinlich herausgefunden, dass unser Breidscheid Mitglied ist. Das würde hervorragend passen. Das Opus Dei ist einem Geheimbund vergleichbar, wird in der Regel von einem Bischof oder Kardinal geleitet, der nur dem Papst verantwortlich ist. Zurzeit gehören ihm etwa zweitausend Priester an und über achtzigtausend Laien. In Deutschland geht man von eintausend Mitgliedern aus.
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