Ein guter Mann: Roman (German Edition)
hatte plötzlich das Verlangen, Karens Stimme zu hören. Aber er verzichtete auf einen Anruf. Es war zu früh.
Es gab einen Automaten für Süßigkeiten. Er zog sich einen Schokoriegel und aß ihn bedächtig in einem Treppenhaus. Dann wollte er einen Kaffee und ging in sein Büro, um sich einen aufzugießen.
Kurz darauf rief Krause an. »Es gibt Neues von Achmed: Al-Dschasira hat ein Foto von ihm gesendet. Mit dem Hinweis, dass dieser Mann hinter dem Kobalt-Raub steckt, man aber sonst so gut wie nichts von ihm weiß. Er stamme aus Damaskus und sei von Bin-Laden ausgebildet worden …«
»Aber das ist doch absoluter Unsinn!«, rief Müller ärgerlich.
»Natürlich. Aber auf diese Weise bleibt die Schuld bei den Muslimen. Russen tauchen keine auf, Breidscheid sowieso nicht, und sämtliche Rechtsaußen haben wieder eine Steilvorlage. Ungefähr siebzig Muslime sind vorläufig verhaftet worden, weil man sie in die Nähe gewaltbereiter Islamisten rückt. Sehr zweifelhaft, ob die Verhöre ein Ergebnis bringen. Wir jagen ein Phantom.«
»Ich weiß nicht mehr recht, wie es weitergehen kann. Das Einzige, was mich reizen würde, ist die Exfrau von Breidscheid. Die hat ein Blumengeschäft in Bremen.«
»Fahren Sie hin. Was kann das bringen?«
»Keine Ahnung. Ich möchte diesen Breidscheid näher beleuchten. Der Kerl ist mir ein vollkommenes Rätsel. Ich kann ihn in unserer Geschichte nicht unterbringen. Aber er hat Achmed gekauft.«
»Fahren Sie. Ich rufe Sie an, wenn ich Sie brauchen sollte.«
»Okay. Ich bin dann auf der Autobahn.«
Müller rief die Fahrbereitschaft und verlangte ein Auto.
»Wir haben ein schnelles C-Modell mit einem Dreieinhalb-Liter-Kompressor. Das könnten Sie haben.«
»Sehr gut. Ich komme.«
Das Blumengeschäft war Teil eines kleinen Einkaufscenters in einer Vorstadt. Alle Bauten waren aus rotem Klinker und strahlten satte Behäbigkeit aus. Das Geschäft hieß »Blumen und Blüten«.
Die Frau hinter der Theke war eine schlanke Blonde, ungefähr um die fünfzig, mit langen, eleganten Händen. Und sie band gerade ganz versunken einen Strauß.
»Mein Name ist Reichert«, sagte Müller freundlich. »Einer meiner Kollegen hat schon mit Ihnen gesprochen. Es geht um Ihren ehemaligen Ehemann. Ich kann selbstverständlich begreifen, wenn Sie nicht gern über diese Phase Ihres Lebens sprechen …«
Sie strahlte ihn an: »Warum denn nicht? Der Mann ist für mich nicht mehr akut, er ist eine vergangene Verfehlung, wie ich immer sage. Du lieber Gott, das ist eine Ewigkeit her. Was wollen Sie denn wissen, oder nein, erst mal: Wieso ist denn der Kerl jetzt von Interesse?«
»Das kann ich Ihnen genau sagen«, erklärte Müller. »Wir brauchen einige Auskünfte, die mit Vorgängen zu tun haben, die wir in unserer Behörde bearbeiten. Aber wir kommen an den Menschen nicht heran, der ist ständig unterwegs und nicht erreichbar. War das zu Ihrer Zeit auch schon so? Also, wissen Sie, wir brauchen die Auskünfte auch für statistische Zwecke, und wir suchen Leute, die etwas über seinen Werdegang wissen. Von wegen: internationale Handelsbeziehungen und dergleichen. Der Mann ist schließlich ein Aushängeschild für die Globalisierung. Und weil das Leben wieder Spaß machen soll und die Leute Ehrgeiz entwickeln sollen, machen wir eine Regierungsbroschüre. Das sind die stillen Helden, so in der Art.«
»Der wollte damals schon nichts anderes als international arbeiten. Er wollte ein Haus auf den Bahamas und eins in Hongkong und eins in der Südsee, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ehrlich gestanden verstehe ich das nicht«, sagte Müller.
»Na, ja, eben die Welt des Geldes, des internationalen Handels und so.«
»Da kenne ich mich nicht so gut aus.«
»Also, junger Mann: Der wollte kein deutsches Geschäft, der wollte nicht GmbH und Co. KG, der wollte richtig klotzen.«
»Ach so, ich verstehe.« Müller lächelte freundlich und unbedarft in ihre blanken, blauen Augen. »Sie waren nach offiziellen Angaben nur zwei Jahre verheiratet. Ich nehme also an, das Geschäft war ihm wichtiger als die Familie.«
Sie gluckste. »Ja, das kann man wohl so sagen. Ach, du lieber Gott, wir waren ja so was von unbedarft, das können Sie sich gar nicht vorstellen.«
»Keine Kinder, nicht wahr?«, sagte Müller eifrig und naiv.
»Keine Kinder! Gott sei Dank! Das hätte mir gerade noch gefehlt.«
»Warum denn nicht? Ich meine, Kinder sind doch was Schönes, oder? Na ja, geht mich nichts an.«
»Also,
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