Ein guter Mann: Roman (German Edition)
wolle sie sich vergewissern, dass Müller auch zuhörte und dass er verstand, was sie meinte. »Wir finden in seiner Vita einiges komisch. Können Sie mir folgen?«
»Ich bemühe mich«, erklärte Müller. »Heißt das etwa, er ist geisteskrank?«
»Das wäre zu einfach!«, sagte die Frau. »Das wäre entschieden zu einfach. Machen wir es so: Wir tragen Ihnen vor, was wir glauben, und Sie denken darüber nach.«
Molotow setzte hinzu: »Elise meint: Sie müssen entscheiden, ob wir Recht haben oder Unrecht.«
»Ich kenne Breidscheid überhaupt nicht«, sagte Müller. »Ich kenne ihn als einen Schemen, einen Schatten. Was er mit meinem Fall zu tun hat, weiß ich nicht genau. Ich weiß nur: Er hat einem Agenten, den ich führe und zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis habe, eine Menge Geld gegeben und ihn nach Berlin gebracht. Und dort hat dieser Mensch eine Bombe gebaut und dann damit fast hundert Menschen getötet.«
»Wir haben alle öffentlichen Äußerungen über Breidscheid gelesen und in Erwägung gezogen«, sagte Molotow. »Der Mann ist stinkreich, Milliardär. Wir nehmen an, dass er losgelöst von jeder Form von Familie vor sich hin lebt und jeden Tag seines Lebens ungefähr eine Million Dollar macht. Das heißt, ihm geht es nicht mehr um Geld, es geht ihm um Macht. Würde er heute aufhören, Handel zu treiben, er könnte sein Geld nicht annähernd ausgeben. Für was denn auch? Wir finden bei Leuten wie Breidscheid ein immer wiederkehrendes Schema. Er ist listig und gut, er trinkt gewissermaßen Millionen. Und wie häufig bei diesen Typen, kann er das viele Geld nicht kompensieren. Das heißt: Er hat keine Familie. Er hat versucht, eine zu haben, und das misslang. Sie haben mit der Exfrau gesprochen. Was hat sie gesagt?«
»Nun ja, sie hat diese Ehe als etwas ganz Skurriles geschildert. Sie war zwei Jahre bei Breidscheid und hat nur einmal mit ihm geschlafen. Und das fand in völliger Dunkelheit statt, und der Ehemann sagte Sekunden vor oder Sekunden nach der Ejakulation, dass er eigentlich für so etwas keine Zeit habe.«
»Oh, das ist ja wunderbar!«, strahlte Elise.
»Wieso ist das wunderbar?«, fragte Müller verblüfft.
»Na ja, es zeigt seine Angst vor Frauen«, erklärte Molotow. »Wissen Sie, ein Mensch, der so katholisch erzogen wurde wie Breidscheid, muss im Grunde Angst vor Frauen entwickeln. Denn er identifiziert Frauen mit Laster und Gier, mit monströsen Leidenschaften. Und er weiß: Der Mann darf die Frau nur vögeln, wenn er willens ist, ein Kind zu zeugen. Eine Vereinigung beider Geschlechter ohne diesen Wunsch empfindet er als tiefste Sünde. Aus diesem Grund sind die ersten Mönchsorden installiert worden und die ersten Klöster der Nonnen. Aber gehen wir einmal schrittweise vor. Der Mann erlebt als Kind und als junger Mann ein erzkatholisches Elternhaus. Dann sieht er, dass die Mutter mit einem Priester was hat. Das passt nicht in seine Vorstellung, das ist Sünde. Aber: Es ist seine Mutter!
Er verzeiht es, zumindest vorübergehend. Aber weil er auch eine tiefe Angst empfindet, verlässt er dieses Elternhaus und lernt seinen Beruf in einer Bank. Er kann von jetzt an seine Energien bündeln, er kann kompensieren. Solche Typen sind besser als jeder Konkurrent, weil sie so hoch konzentriert etwas anderes verbergen wollen – die Angst vor dem Leben. Solange die Mama lebt, bleibt er in ihrer Nähe, aber sobald sie stirbt, will er die Welt erobern. Immer weiter weg von dem elenden Kaff bei Münster. Geben Sie mir bis dahin Recht?«
»Kein Einwand«, nickte Müller.
»Er treibt sich im Ausland herum«, sagte Elise. »Er kauft sich hier ein Haus und dort ein Haus. Und natürlich hat er ein hohes Ansehen, denn er hat Geld, viel Geld. Und: Er stellt einen ehemaligen Kriminellen als Mädchen für alles ein, weil er solche Typen kennt, weil er selbst so ein Typ ist. Und weil er Spaß daran hat, jemanden nach seinem Willen zu formen. Dazu kommt noch dieser Kaplan, der ihm vom Kardinal beigegeben wird. Und damit sind wir an einem entscheidenden Punkt: Jetzt wird es katholisch. Glauben Sie, Herr Müller, das Breidscheid Mitglied des Opus Dei ist?«
»Ich glaube, es passt. Breidscheid verwaltet seine Gelder von einer Zentrale in New York aus. Und all diese Gelder werden von Banken verwaltet, die entweder dem Vatikan gehören oder vom Vatikan gesteuert werden. Das heißt, dass diese Bankhäuser im Verbund arbeiten und genau wissen, wo Breidscheids Gelder hingehören oder zu verstecken sind. Man
Weitere Kostenlose Bücher