Ein guter Mann: Roman (German Edition)
so einen Prospekt einstecken? Kann sein, dass ich mal Gäste für Sie habe.«
»Das wäre sehr lieb. Nur: Rechtzeitig vorher anrufen, mein Haus ist sehr gefragt.«
»Mein Kollege Taylor hat mir das geschildert, und mein Kollege Grissom auch.«
»Die Armen! Dass die aber auch gleich zu Anfang einen Unfall haben mussten.«
»Na ja«, sagte Müller. »Bei diesem Beruf kann man sich das nicht immer aussuchen.«
»Aber es ist doch gut, dass wir hier in Berlin ihre Hilfe haben.« Sie war aufrichtig begeistert.
»Na, fein, dann spaziere ich mal ein Stockwerk höher.«
»Und wenn Frau White einen Pfefferminztee will, soll sie einfach hier anrufen.«
»Ich richte es aus«, sagte Müller ganz ernsthaft, drehte sich um und verschwand im Treppenhaus, um den Lift zu rufen. Er wollte wissen, wie schnell das Gerät kam, wie schnell es unterwegs war und wie er es am einfachsten blockieren konnte.
Er schickte die Kabine in den vierten Stock und schob dann den Holzkeil, den die Putzfrauen benutzten, unter die Tür zur Liftkabine. Wenn jemand nicht sehr aufmerksam nachschauen würde, konnte der Lift für viele Stunden unbrauchbar sein.
Dann lief Müller die Treppe hinauf und betrat im ersten Stock einen langen Flur mit Zimmern. Die Nummer sechzehn war die vierte Tür auf der rechten Seite.
Er hörte Stimmen, weibliche Stimmen.
Eine Frau sagte im Knautschton der Texaner: »Also, meine Liebe, reden Sie endlich. Was hat Ihr Lover herausgefunden? Was weiß er über die Bombe?«
Karen sagte: »Ihr seid doch Monster. Ich habe schon tausendmal gesagt, dass ich keine Ahnung habe. Müller sagt mir nichts. Er sagt mir nicht mal, für wen er arbeitet. Und jetzt lasst mich endlich gehen.«
»Keine Chance. Wir sprechen über den deutschen BND, und der hat eine Spur. Genauer gesagt: Ihr Freund Müller. Und Sie wissen das.«
»Lassen Sie mich in Ruhe«, sagte Karen mit brüchiger Stimme.
Müller klopfte laut.
»Ja«, antwortete die Amerikanerin laut.
»Hier ist Wheather von der Botschaft, Sir. Habe etwas Dringliches zu übermitteln, Sir. Geht nur mündlich, Sir.«
Die Frau drehte den Riegel und öffnete die Tür ohne jeden Argwohn. Sie mochte sechzig oder vielleicht auch schon siebzig Jahre zählen. Sie war hager wie ein Eisenrohr, hatte lichtblaues kurzes Haar über sehr hellen Augen und war heftig geschminkt. Sie trug dunkelblaue lange Hosen, eine weiße Bluse und ein Achselhalfter, in dem eine Waffe steckte.
Müller begriff augenblicklich, dass sie eine der Mütter war, die unterm Weihnachtsbaum von »meinen Jungs« schwärmte, die rund um den Globus die heikelsten Unternehmungen mitgemacht hatte und die nur schwer zu übertölpeln war. Sie war der Inbegriff einer harten Frau. Und sie glaubte an Amerika, ihren Präsidenten und einen strafenden Gott.
Müller hatte eine schnelle Entscheidung zu treffen.
Über ihre Schulter hinweg sah er Karen auf einem Bett in halb sitzender Position. Sie war mit irgendetwas gefesselt, er konnte es nicht erkennen.
Er sagte freundlichst: »You are welcome«, verbeugte sich und schoss dann mit der Linken nach vorn.
Er traf sie direkt in den Solarplexus, und sie sackte zusammen wie ein Luftballon, aus dem die Luft entweicht.
»Ruhig«, sagte Müller zu Karen. »Du musst jetzt ganz ruhig sein.«
»Mein Gott!«, sagte sie aufseufzend und begann zu weinen.
Er sah, dass sie Paketklebeband benutzt hatten. Karen war an Händen und Füßen gefesselt. Er nahm das Taschenmesser und schnitt durch die Klebstreifen.
»Kannst du gehen?«
»Natürlich. Nichts lieber als das. Wie kommst du hierher, wie hast du mich gefunden? Wo bin ich hier eigentlich? Und was waren das für Schweine?«
»CIA. Alles Kumpels, alles nette Leute.«
»Du schlägst Frauen?«
Müller grinste breit. »Wenn es um dich geht, meine Liebe, haue ich sogar dem heiligen Paulus auf die Schnauze. Setz dich mal hin. Was schätzt du, wie lange hast du hier gelegen?«
»Das weiß ich nicht. Sie haben mir eine Spritze gegeben. Sie wollten alles Mögliche über dich wissen.« Sie kicherte. »Und es war sehr komisch, dass ich nichts über dich erzählen konnte.« Dann stand sie auf, geriet ins Wackeln, sagte »Huhh!« und hielt sich an ihm fest.
»Vorsicht!«, sagte er hastig. »Wir müssen raus hier, möglichst schnell. Versuch mal, ein paar Schritte zu gehen.«
Sie machte ein paar Schritte. Sie trug Jeans und ein Holzfällerhemd und sah gut aus.
»Okay. Können wir?«
»Wir können«, sagte sie.
»Du hast ein blaues Auge«, sagte
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