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Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Speichelfaden, der Atem war kaum zu hören. Die Hand war warm.
    »Ich bin es, Karl«, wiederholte Müller. »Ich komme gerade vom Flughafen von einer Dienstreise und bin ziemlich kaputt. Sie sagen hier, du hast die besten Chancen. Bald wirst du aufwachen, und dann kriegst du Sauerkraut und Eisbein und Kartoffelpüree. Blaue Trauben natürlich auch. Alles, was du gern isst. Von Mama soll ich grüßen. Sie ist zu Hause und versucht, ein wenig zu schlafen. Auch von Melanie soll ich grüßen, und Anna-Maria schickt dir einen dicken Kuss.« Er tätschelte die Hand unbeholfen, er hatte seinen Vater ein Leben lang immer nur sehr vorsichtig berührt, und er konnte sich nicht daran erinnern, jemals mit diesem Vater über den Rasen getollt zu sein.
    »Wenn du gesund wirst, fahren wir alle zum Titisee oder nach Amrum, egal, wo du hin willst. Und ich nehme mir vierzehn Tage Ferien, und wir gehen zusammen durch die Wälder oder am Strand lang.«
    Sein Vater stieß ein Krächzen aus, wahrscheinlich war es ein Husten. Das rechte Augenlid flatterte jetzt auch, und es kam ihm so vor, als versuche sein Vater die Augen zu öffnen.
    »Ich bin es, Karl«, sagte er wieder. »Mach die Augen einfach auf, kann doch nicht so schwer sein. Aber wahrscheinlich habe ich gar keine Ahnung, und es ist schwer, und du lächelst über meine blöde Bemerkung.«
    Wieder dieses Krächzen, und diesmal zuckte auch die Hand mit der Infusionsnadel.
    »Soll ich die Schwester rufen, willst du irgendetwas?«
    Das Atmen wurde ein wenig lauter.
    »Kann es sein, dass du mich hörst? Kann das sein?«
    Das Flattern des rechten Lids hörte auf.
    Der Atem wurde wieder leise.
    »Ich gehe jetzt und komme morgen wieder. Und ich denke, dir geht es dann besser und du kannst mich erkennen.«
    Müller konnte das Elend, dieses schwache Stück Leben nicht mehr ertragen. Er ging und spürte das Sterben seiner Hoffnung wie einen dumpfen Schmerz im Bauch. Als er die Station verließ, als die Milchglastür sich hinter ihm mit einem Seufzen schloss, weinte er.
     
    Er fuhr langsam durch die Nacht nach Hause und öffnete die Haustür vorsichtig, um nicht zu stören. Er stellte den Koffer wie immer in die Küche, damit er nicht auf der dröhnenden Holztreppe irgendwo aneckte. Dann setzte er sich ins Wohnzimmer und starrte hinaus in den Garten, den er verächtlich Ödland nannte, weil nichts darin seinem Bild von einem Garten entsprach. Kurzer, ungesund grüner Rasen, keine Wildblumen, die Tulpen eingezwängt in Erdvierecke, ein so genannter Teich von zwei Quadratmetern Größe, in dem irgendeine Pflanze einem mickrigen Goldfisch Deckung bot. Es war der sechste Goldfisch, die fünf vorher waren wahrscheinlich wegen drückender Einsamkeit eingegangen.
    Er wünschte sich, sein Vater möge wieder gesund werden. Vielleicht war es möglich, mit ihm über das Leben zu sprechen und über das, was er sich darunter vorstellte. Vielleicht konnte er ihm dann die Jahre bei der Polizei erklären, und weshalb er jetzt beim Bundesnachrichtendienst arbeitete. Sein Vater hatte nur abfällig geäußert: »Die Schlapphutbrigade? Die versagen doch ständig.« Müller war laut geworden: »Woher weißt du das eigentlich?« »Von klugen Journalisten«, hatte sein Vater gebellt. »Genau, die arbeiten ihre persönlichen Defizite an uns ab!«, hatte Müller gebrüllt. Sie hatten nie wieder darüber gesprochen.
    Vielleicht ist es gut, wenn er stirbt, dachte er plötzlich. Dann muss er nicht miterleben, wie diese Familie auseinander fällt. Das würde er sowieso nicht verwinden, da würde er vollends verstummen.
    Auf der Treppe war ein Geräusch, dann kam Melanie in den Raum. Sie feierte ihre Schönheit in einem lang herabfließenden, halbdurchsichtigen Gewand und sagte: »Ich habe dich gar nicht gehört. Wie war die Reise?«
    »Normal«, sagte er. »Nichts Besonderes. Ich war noch bei Papa im Krankenhaus.«
    »Und? Wie geht es ihm?«
    »Na ja, er liegt im Koma. Jedes Mal, wenn du glaubst, er schlägt die Augen auf, passiert nichts.«
    »Und was sagen die Ärzte?«
    »Sie können keine Wunder vollbringen, nur abwarten. Vielleicht schafft er es ja. Wie geht es Anna-Maria?«
    »Klasse. Wir waren heute Nachmittag im Zirkus. Und sie hat gejubelt. Sie hat noch auf dem Weg nach Hause Beifall geklatscht.«
    »Ich muss dir etwas sagen, Melanie. Ich habe gestern mit meiner Mutter gesprochen. Sie erzählte, du hättest nicht kommen können, weil du niemanden hattest für Anna-Maria. Ich würde dich bitten, auf solche

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