Ein guter Mann: Roman (German Edition)
gut, du kennst mich gut. Ich sage dir, du kochst irgendetwas aus.«
»Hey, wir sind Freunde, oder? Ich würde dir sagen, wenn irgendetwas ist. Es ist nichts, es ist alles beim Alten. Verdammt noch mal, was soll schon sein?«
»Achmed, du hast das Geld nicht nachgezählt.«
»Du bist ein Freund, ich brauche nicht nachzuzählen.« Aber jetzt war er getroffen, und er sah Müller nicht an.
»Hat Onkel Hussein etwas gemerkt?«
»Hat er nicht.«
»Hat irgendjemand dich kontaktiert? Könntest du doppelt kassieren?«
»Nein, sicher nicht.«
»Weißt du eigentlich, welche Ölfördergesellschaften bei Onkel Hussein vor der Tür stehen?«
»Nein, weiß ich nicht. Vermutlich die halbe Welt. Wahrscheinlich kaufen wir die Technik und fördern das Öl selbst. Da ist zu viel Geld im Spiel, zu viel Einflussnahme, zu viele Arschlöcher, die auf Vorteile lauern.«
»Wo du Recht hast, hast du Recht. Hat Onkel Hussein eigentlich gesagt, seit wann die amerikanischen Brüder in den Iran geschleust werden?«
»Er sagte seit vier Wochen. Und er sagte auch – verdammt, das habe ich vergessen, zu sagen – er sagte auch, dass die ersten drei Gruppen angekommen sind. Also …«
»Also sind es mehr als drei Gruppen.«
»Ja, hört sich so an. Aber ich finde es heraus.« Er sah Müller an, als wolle er noch etwas sagen, schwieg aber.
Nach einer Weile murmelte Müller: »Ich dachte, wir sind Freunde.«
Achmed starrte auf den Tisch. »Sind wir auch. Mach es mir nicht so schwer, Kumpel. Ich kann doch nicht beichten, wenn ich nichts zu beichten habe.« Seine Stimme war flach, monoton, ohne jeden Ausdruck. »Du wirst bis morgen bleiben?«
»Ja, vermutlich. Soll ich morgen noch einmal kommen? Willst du bis morgen Zeit haben, es dir zu überlegen?«
»Nein, verdammt noch mal.«
Sie zahlten und gingen langsam zurück. Sie sprachen Belangloses, und sie waren um Normalität bemüht. Zum ersten Mal war der Wurm drin in ihrer Beziehung, und sie empfanden das beide als einen Verlust. Müller erinnerte sich schmerzlich an seine Mission Grippe, die so deutlich offenbart hatte, wer Achmed war, was ihn ausmachte und was ihre Freundschaft ausmachte. Müller war in Damaskus krank geworden, eine ganz gewöhnliche Grippe. Er hatte sich im Hotel aufs Bett gelegt und Achmed informiert. Mir ist richtig elend, hatte er gesagt. Keine halbe Stunde später war Achmed erschienen, mit der ganzen Familie. Sie hatten in feierlicher Prozession eine Schachtel Aspirin in sein Zimmer getragen und dazu »Charlie Brown« gesungen. War das jetzt aus, vorbei, Schnee von gestern?
Als Müller seine Koffer wieder eingepackt hatte, sich verabschiedete und dafür die reiche arabische Sprache bemühte, nickte Achmed nur und sagte beiläufig: »Bis zum nächsten Mal, mein Freund.«
»Kann es sein«, fragte Müller leise auf Englisch, »dass dein geliebter Onkel Hussein dir alle diese wunderbaren Nachrichten zugeflüstert hat, weil er weiß, dass du sie mir sagen wirst, und weil er möchte, dass wir annehmen, wir stehen dicht vor großen Schweinereien in Nahost?«
Achmed zeigte sein Pokergesicht, also fuhr Müller fort: »Natürlich betonen die Amis: Jetzt muss die Diplomatie ran! Aber eigentlich ist es schon längst zu spät, eigentlich sind sie schon da. Möglicherweise käme dann mein Außenminister zu spät, möglicherweise würde mein Außenminister sogar auf jede Art zu vermitteln verzichten. Will dein teurer Onkel das?«
Achmed blinzelte, öffnete die Augen dann weit, blickte angeekelt zum nicht sichtbaren Himmel. Er umarmte Müller nicht, er sah ihn nicht an, er bellte nach hinten in seinen Laden: »Wer, zum Teufel, hat hier nicht aufgeräumt?«
Müller nahm die Vertreterkoffer auf und ging langsam zu einem Taxistand um die Ecke.
Er war in einem fieberhaften Zustand, und er war zugleich wütend. Achmed war über die Jahre hinweg ein verlässlicher Partner gewesen, jetzt schien das alles infrage gestellt, und Müller wusste, dass er eine schnelle Lösung nicht kriegen würde. Achmed war hochintelligent, Achmed war ein blendender Spion, aber er war auch ein harter Brocken. Ende der Gemütlichkeit. Was, um Gottes willen, war da geschehen?
Er hatte jetzt eine schnelle Entscheidung zu treffen, und er entschied sich augenblicklich. Er ließ sich zurück zum Hotel fahren, schleppte die Vertreterkoffer mit höchstmöglicher Geschwindigkeit sechs Stockwerke hoch und registrierte dankbar, dass sich durch die Anstrengung Gelassenheit einstellte.
Er rief mit einem
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