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Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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würde sagen, Frau Swoboda sei abgereist. Wenn er ihr Handy anwählen würde, wäre sie in Frankfurt, weit weg. Aber dann meldete sie sich.
    »Ich bin es«, sagte er. »Ich bin wieder hier. Bist du noch in Berlin?«
    »Ja, ich warte noch auf den Vertrag. Wann kommst du?«
    »Ich denke, gegen Mitternacht. Wenn du mich dann noch willst.«
    »Oh ja«, sagte sie mit einem Lachen.
    »Ich brauche dich sehr«, sagte er.
    Er war gut gelaunt, als er vor seinem Elternhaus ankam.
    Tante Trude, der Familiendragoner, tönte im Hintergrund: »Das kannst du dem Jungen doch nicht antun!«
    »Was kannst du mir nicht antun?«
    »Ich will mit dir zum Friedhof«, sagte seine Mutter. »Das verstehst du doch.«
    Ganz instinktiv wollte er abwehren, wollte sagen: Das kann ich nicht, nicht jetzt. Aber er nickte und sagte: »Selbstverständlich fahren wir zum Friedhof. Und guten Tag, Tante Trude. Nett, dass du hier bist«.
    »Was tut man nicht alles für die Verwandtschaft«, sagte Tante Trude. Sie war so breit wie hoch, und ihr rotes Gesicht strahlte Zufriedenheit aus. Sein Vater hatte geurteilt: »Sie ist zu dick und immer zu laut!«
    »Willst du erst mal einen Kaffee?«, fragte Tante Trude.
    »Nein, wir können sofort fahren.« Ich muss es hinter mich bringen, dachte er. Doch ich will es nicht.
    Im Wagen sagte seine Mutter: »Du hast ja wohl mächtig viel zu tun.«
    »Ja, das habe ich.«
    »Aber morgen bist du da?«
    »Natürlich. Wie kommst du denn mit Trude zurecht?«
    »Wunderbar. Sie macht einen solchen Lärm, dass du denkst, es ist Kindergeburtstag. Aber sie ist eine treue Seele. Und sie hat Vater immer sehr gemocht. Wie geht es Melanie und dem Kind?«
    »Ich weiß es nicht, Mama. Haben sie sich bei dir gemeldet?«
    »Nein, aber wahrscheinlich denken sie, sie stören mich. Wie geht es dir mit dieser Wohnung?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe dort noch nicht einmal geschlafen.«
    »Wie?«, fragte sie erschrocken. »Wo warst du denn nachts?«
    »Im Dienst«, sagte er. »Du weißt doch, wir haben Feldbetten für die ganz harten Fälle.«
    »Vater wollte ja nie, dass du für den Geheimdienst arbeitest.«
    »Nein, das wollte er nicht. Aber er hatte auch keine Ahnung.«
    »Kann sein«, sagte sie ein wenig beleidigt. »Doch er hat immer nur das Beste für dich gewollt.«
    »Du brauchst ihn nicht zu verteidigen, Mama.«
    »Damit die Angehörigen Abschied nehmen können, ist die Halle bis abends um acht Uhr auf. Das sind ganz reizende Leute.«
    Mein Gott, ich will das nicht. Ich kann Tod jetzt nicht vertragen, nicht nach diesem Tag.
    Er fuhr auf den Parkplatz, und sie gingen die letzten Schritte bis zu der Halle zu Fuß. In der Halle war die ganze hintere Wand aus Glas, verhängt mit lichtblauen Vorhängen.
    Seine Mutter ging nach rechts zu einem Tisch, an dem ein Mann saß, der ihnen freundlich entgegenlächelte.
    »Die Kabine achtundzwanzig, bitte«, sagte seine Mutter.
    »Selbstverständlich«, sagte der Mann und drückte irgendeinen Knopf. Eine Bahn des Vorhangs in der endlosen Glasfront glitt zur Seite.
    »Du wirst sehen«, flüsterte seine Mutter, »er sieht ganz friedlich aus.«
    Sein Vater lag wächsern in dem offenen Sarg, die Hände auf einer weißen Decke gefaltet. Die Hände waren bläulich. Neben seinem Kopf stand eine hohe Vase mit weißen Lilien.
    »Und morgen tust du deinen letzten Gang«, sagte seine Mutter.
    Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll, dachte Müller. Ich will jetzt auch nicht mit einem Toten sprechen. Wahrscheinlich gäbe es nur Krach, wenn du plötzlich wieder aufwachen würdest. Wahrscheinlich würdest du wiederholen, dass ich mein Leben versaut habe, weil ich nicht studiert habe, was du wolltest. Du lieber Himmel, du hast in deinem Leben mehr verschwiegen, als eine Familie ertragen kann. Wahrscheinlich wäre die Situation klarer gewesen, wenn du getrunken hättest. Dann hätte ich dich wenigstens hassen können. So habe ich dich gehasst, ohne je zu erfahren, warum.
    »Wo seine Seele jetzt wohl ist?«, fragte seine Mutter.
    »Das weiß niemand«, antwortete er. »Komm, lass uns gehen.«
    »Eine Weile noch«, bat sie. »Ich sehe ihn ja nie mehr.«
    Er drehte sich ab von dieser Kabine der letzten Blicke, machte ein paar Schritte in das Halbdunkel des Raumes und dachte an Achmed, und ob er tot war. Charlie, du musst mir helfen …
    Sie fuhren nach Hause und schwiegen.
    »Ich muss noch einmal ins Amt«, sagte er. »Ich werde rechtzeitig wieder hier sein. Und ich muss den schwarzen Anzug bei Melanie holen.«
     
    In

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