Ein guter Mann: Roman (German Edition)
alle bis an die Zähne bewaffnet, niemand trug einen Helm.
»Also, Kinder«, sagte Schneider und drehte sich auf dem Beifahrersitz nach hinten. »Der Mann, den wir eingeladen haben, war mal viele Jahre bei unserem Verein. Er heißt Charlie für euch, für den Fall, dass ihr den Namen braucht. Bei eventuellen Auseinandersetzungen wird er ganz hinten sein, ist aber unbedingt zu schützen. Das geschieht nach Schema elf. Wir nehmen die Autobahn 11 und gehen dann auf die 20 bis zur Ausfahrt Pasewalk. Vier Kilometer vor Pasewalk liegt ein Ort namens Rollwitz. Das ist Ziel Nummer eins. In diesem Rollwitz gibt es eine alte, längst aufgelassene Gastwirtschaft. Dort finden Treffen unbekannter Art angeblich von Ausländern aus den östlichen Nachbarstaaten statt. Die örtliche Polizei sagt, dass deswegen keine Unruhe herrscht und niemals irgendwelche Zwischenfälle gemeldet wurden. Keinerlei Auffälligkeiten also. Wie die Polizei weiter sagt, haben sie sich auch deshalb nicht darum gekümmert, weil sie hoffnungslos unterbesetzt sind. Wir kommen von hinten rein, gehen rein, nehmen fest oder auch nicht. Es muss schnell gehen. Wir gehen nach Schema vier vor. Wir werden dann an die örtliche Polizei übergeben und verschwinden. Ziel Nummer zwei klingt abartig, aber da wir schon mal in der Gegend sind, wollen wir uns das auch noch ansehen. Nach Mitteilung eines Bürgers aus Pasewalk, der sich ganz ernsthaft als der Sohn von Spiderman bezeichnet und der auch so gekleidet ist, müssen wir zu einer Scheune, die mitten in der Pampa liegt. Angeblich finden wir dort jede Menge Russen, Georgier, Rumänen, Bulgaren, Polen. Sagt Spiderman junior. Wir werden sehen. Bisher hat es verdeckte Erhebungen gegeben durch die Bundeswehr, die Spähtrupps durch die Region laufen ließ. Kein Ergebnis. Dann haben rund zwanzig zivile Fahnder sich über die ganze Region verteilt, aber ebenfalls nichts gefunden. Zu eurer Kenntnis: Wir haben die Spuren Nummer dreihundertfünfundsechzig und sechshundertelf zugeteilt bekommen. Und wahrscheinlich müssen wir wieder damit rechnen, nichts zu finden.«
Der Fahrer war sehr schnell und blieb konstant auf der linken Fahrspur. Müller schätzte, dass er mit hundertachtzig Stundenkilometern fuhr.
»Seid ihr ständig mit diesem Kobalt-Fall beschäftigt?«, fragte Müller.
Schneider nickte. »Wir erledigen pro vierundzwanzig Stunden drei bis sechs besondere Ziele, bei denen unklar ist, was sie bedeuten. Das hat schon drei Stunden nach dem Raub des Materials begonnen. Wir haben kaum geschlafen. Was glaubt ihr denn? Haben wir eine schmutzige Bombe im Raum Berlin?«
»Wir müssen sicherheitshalber davon ausgehen«, sagte Müller. »Sonst könnten wir am Ende dämlich aussehen.« Dann schwieg er, weil er nicht wusste, was Schneider wissen durfte und was nicht.
Nach etwas mehr als einer Stunde hatte der Fahrer die Ausfahrt Pasewalk erreicht und nahm die Bundesstraße 109. Vor der Einfahrt in den Ort Rollwitz hielt er an.
Schneider bediente eine Reihe kompliziert aussehender Geräte vor ihm, setzte sich Kopfhörer auf und sprach in ein Mikrofon. Nach drei Minuten wandte er sich um und sagte: »Wir haben eine Lage. Das Gebäude dieser Gaststätte liegt etwas zurück von der Straße. Davor ist ein großer Parkplatz. Unmittelbar an das Hauptgebäude schließt sich nach hinten ein großer Saal an. Rechts in diesem Saal liegen die Toiletten. Hinter dem Gebäude liegt ebenfalls ein großer Parkplatz. Vor dem Gebäude parkt niemand, dahinter etwa fünfundzwanzig Pkw. Von diesem Platz kommen wir auf zwei Wegen in den Saal, ein Eingang rechts, ein Eingang links. Von vorn gibt es nur den Eingang durch die Gaststätte. Ich will, dass drei Leute links hineingehen, drei Leute rechts. Achtung, die drei Leute rechts: Ihr kommt an den Toiletten vorbei, nichts übersehen. Ich gehe mit drei Männern von vorne hinein. Conny und Albert, ihr passt auf Charlie auf. Die Übrigen sichern das Gebäude durch bis in den Dachboden. Wichtig zu wissen: Das gesamte Gebäude ist offiziell unbewohnt, auch im ersten Stock. Die Gaststätte ist seit etwa zwölf Jahren außer Betrieb, der Eigner ist festgestellt, will aber mit den Fremden in seinem Haus angeblich nichts zu tun haben. Es wird vermutet, dass er den gesamten Komplex einfach vermietet hat. Wir können, Schorsch, und der Zugriff erfolgt genau in null plus zwei Minuten. Alles wie gehabt, Einteilung ist bekannt. Helm auf zum Gebet.«
Der Fahrer Schorsch fuhr mit Vollgas seitlich an dem Gebäude
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