Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
sprach stattdessen kurz auf das Band: »Ich schicke einen jungen Rumänen, der etwas von Pjotr weiß, der der Chef der Kobalt-Räuber ist. Nach zehn Stunden müsst ihr ihn überstellen.«
    Draußen hatte mittlerweile die SEK-Gruppe an die Polizei übergeben.
    Müller war einen Augenblick lang in Versuchung, Karen anzurufen, ließ es dann aber sein, weil er nicht wusste, was auf ihn zukam und wann er wieder in Berlin sein würde. Er hoffte inständig, dass sie noch da war.
    Als alle wieder im Bus waren, griff Schneider zum Mikrofon und bedankte sich für die schnelle und gründliche Arbeit. »Wir fahren jetzt zu Spiderman, der behauptet hat, die Gruppe um den radioaktiven Stoff zu kennen oder im Traum gesehen zu haben. Wie auch immer, wir haben noch keine Lage und treffen zunächst Spiderman bei einem praktischen Arzt namens Kirsch in Pasewalk. Das erledige ich mit Charlie. Schorsch, wir können.«
    Schorsch brauchte nur ein paar Minuten, hielt dann vor einem Einfamilienhaus in einem großen Garten und sagte: »Hier müsst ihr rein.«
    Der Arzt öffnete die Tür und lächelte sie an. Er war etwa fünfzig Jahre alt und hatte ein von Falten vollkommen zerklüftetes Gesicht. Er erklärte: »Spiderman erwartet Sie, meine Herren. Und er ist sehr aufgeregt: Er wird wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben ernst genommen. Zu Spiderman selbst sage ich Ihnen nur, dass er vollkommen verrückt ist. Aber auf eine sehr verträgliche, nette Art. Er hat noch niemals Gewalt angewendet. Er ist zweiundvierzig Jahre alt und lebt mit seiner Mutter zusammen. Niemand kennt seinen Vater. Er war anfangs wahrscheinlich ein Borderliner, entwickelte sich dann aber immer weiter in Richtung klassisch verrückt. Aber: Er ist durchaus nicht zurückgeblieben, und wenn er meint, er hat in der alten Stockmannscheune Russen und Polen gesehen, dann können dort durchaus Leute sein. Bei ihm weiß man nie so genau, was reine Fantasie ist und was von der Wirklichkeit angestoßen wurde. Ich bin nur der Mann, der gelegentlich mit Mittelchen eingreift, wenn seine Verrücktheiten überhand nehmen. Ich bitte Sie nur herzlich, nicht hart mit ihm umzuspringen.« Dann drehte er sich um und führte sie in ein kleines, gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer. Spiderman saß in einem Sessel, sprang auf, als sie eintraten, blieb in Habachtstellung stehen und strahlte sie an.
    Er hatte ein pausbäckiges Gesicht, wirkte sehr friedlich und war eigentlich nur ein halber Spiderman: Er trug ein feuerrotes Hemd mit Kapuze über dem Kopf, auf die die Spinnennetzlinien gezeichnet waren, aber unten normale Jeans und helle Sportschuhe.
    »Ich bin geehrt«, erklärte er zackig.
    Sie reichten ihm die Hand und setzten sich in kleine, bequeme Sessel.
    Schneider beugte sich vertrauensvoll vor. »Mister Spiderman, wir sind außerordentlich dankbar, dass Sie uns helfen wollen. Können Sie uns schildern, was Sie beobachtet haben?«
    »Aber ja, meine Herren«, sagte Spiderman. »Es ist einfach so, dass ich in meiner Welt zuweilen Dinge sehe und erfahre, die den normalen Sterblichen verschlossen bleiben. Will heißen: Die sehen das alles nicht, die hören das alles nicht. So hatte ich vor ein paar Tagen im Traum die Eingebung, dass hier in meiner unmittelbaren Nähe etwas ablief, was möglicherweise den deutschen Staat in seinen Grundfesten erschüttern könnte. Will sagen: Ich erlebte am Fernseher den Raub des radioaktiven Materials, machte mich dann auf eine nächtliche Patrouille, flog bei der Gelegenheit über die alte Stockmannscheune, sah mich um und fand ein Grab.«
    »Was war in dem Grab?«, fragte Müller.
    »Ich bin nicht indiskret, meine Herren. Will sagen: Ich ließ mich nicht dort nieder, um in der Erde zu stochern. Das Grab blieb unberührt.«
    Müller nickte. »Wen sahen Sie denn noch? Ich meine, bewegten sich dort Menschen?«
    »Beim ersten Überflug nicht. Allerdings beim zweiten. Will sagen: Ich entdeckte dann eine beträchtliche Anzahl ausländischer Besucher. Will heißen: Sie sahen östlich aus.«
    »Wie viele waren es denn?«, fragte Schneider.
    »Ich landete vorübergehend auf einer Pappel. Dort stehen Pappeln, meine Herren. Ich sah zunächst mindestens vier Männer.«
    »Wann genau war das?«, fragte Müller.
    »Vorgestern.«
    »Und was taten diese Männer?«
    »Was Männer so tun, meine Herren. Will sagen: Sie kamen mal raus aus der Scheune, mal gingen sie rein. Da sie mich nicht sehen können, wenn ich fliege, bewegten sie sich natürlich.«
    »Wann sind Sie

Weitere Kostenlose Bücher