Ein guter Mann: Roman (German Edition)
vorbei und parkte unmittelbar auf der Rückseite. Die Männer waren sofort draußen, kannten ihre Zuordnungen und verloren keine Zeit. Sie standen mit entsicherten Waffen an den Eingängen.
Müller hielt sich an Schneider, der im Laufschritt an der linken Seite des Gebäudes entlanglief und dann vor dem Haupteingang stehen blieb. Es war vollkommen still, bis Schneider »Zugriff!« in sein Mikrofon sagte.
Die Eingangstür war verschlossen.
Jemand sagte knapp: »Hebel rein!«
Einer der Männer trat nach vorn und setzte einen stählernen Hebel an. Es knallte und splitterte, die Tür schwang auf.
Müller dachte: Schade, es war eine schöne alte Eichentür. Er ließ die Männer an sich vorbeigleiten und kam dann selbst in die uralte Dorfkneipe. Es roch stark nach Hefe. Einen Augenblick lang störten ihn die zwei schweigsamen Männer hinter ihm. Er dachte: Wenn ich jetzt angegriffen werde, will ich diese verdammte Pistole nicht berühren. Ich kann es einfach nicht.
Rechts von der Theke war eine Tür, über der ein Schild mit der Aufschrift SAAL angebracht war. In der Mitte hinter der Theke führte eine Tür offensichtlich in die Küche, denn Müller sah weiß geflieste Wände. Er ging langsam durch die Tür in Richtung Saal, die beiden Begleiter links und rechts einen Schritt hinter ihm.
Sie gerieten in eine bizarre Szene.
Im Hintergrund an zwei langen, aneinander gestellten Tischen saßen vier Männer in Hemd, Krawatte und Anzug. Vor ihnen standen vier Telefone und einige Flaschen mit Mineralwasser. Genau vor diesen Tischen standen Bankreihen, insgesamt sechs. Und auf diesen Bänken hockten Männer, einige hatten Frauen neben sich. Fast alle Männer rauchten und hatten Aschenbecher auf dem Fußboden stehen. Es wirkte wie die Versammlung eines Bürgervereins.
Schneiders Männer sicherten ab, und ein paar von ihnen sammelten die Ausweise der Leute ein. Niemand sprach ein Wort.
Schneider kam zu Müller und fragte: »Wofür hältst du das hier?«
»Für ein illegales Arbeitsamt«, sagte Müller.
Schneider nickte. »Kann stimmen. Aber Kobalt gibt es hier nicht. Ich fürchte, wir müssen weiter zu Spiderman.«
In diesem Augenblick löste sich ein junger Mann mit hellblondem Haar aus der letzten Bankreihe und rannte mit weit vorgestrecktem Kopf blitzschnell auf den linken hinteren Ausgang des Saales zu.
»Oha!«, sagte Schneider neben Müller ganz ruhig.
Es gab keine Sekunde der Aufregung, niemand brüllte irgendetwas, nur das Trommeln der Schuhe des Flüchtenden war zu hören.
Dann traf er auf den SEK-Mann, der den Ausgang sicherte. Der Mann zeigte keinerlei Reaktion. Der Flüchtende versuchte ihm in vollem Lauf auszuweichen, drehte unwillkürlich nach rechts, streckte die Hände weit vor und prallte dann gegen einen mannshohen gusseisernen Kanonenofen, der wahrscheinlich schon viele Generationen von Dörflern gewärmt hatte. Der Junge blieb liegen.
»Ich brauche einen Arzt«, sagte Schneider in sein Mikrofon.
»Und ich brauche diesen Jungen«, bat Müller.
»Geht klar«, nickte Schneider. »Falls er sich nicht das Kreuz gebrochen hat.«
Weil Unruhe hochkam und einige Leute anfingen, sich schnell und unkontrolliert zu bewegen, ging Schneider nach vorn und sagte: »Keine Angst! Niemand wird verhaftet, niemandem geschieht Unrecht. Bleiben Sie ruhig.«
Dann wandte er sich einem seiner Leute zu und sagte: »Von den vier Chefs hier vorne tragen die beiden rechten Waffen. Im Jackett. Nimm sie ihnen ab.«
Der Angesprochene nickte nur und sagte in sein Mikrofon: »Ich brauche Deckung.«
Sofort kamen zwei SEK-Mitglieder aus dem Hintergrund des Saales. Sie stellten sich neben den vier Chefs auf, die nach wie vor vollkommen reglos auf ihren Stühlen hockten, und richteten ihre Maschinenpistolen auf sie. Dann gaben sie kurze, knappe Befehle. »Aufstehen! Rücken zu mir! Hände auf den Kopf! Keine Bewegung!«
Nach einer Weile sagte jemand: »Es sind alte Walther PPK. Wunderbar gepflegt, richtig schöne Stücke.«
Schneider kam zurück zu Müller. »Es sind außer den vier Chefs sechsundvierzig Leute. Alle wollen Arbeit, sonst nichts. Sie haben alle Touristenvisa, und wahrscheinlich sind die sogar echt.«
Von hinten kam ein Mann mit einer schweren Arzttasche nach vorn, in seinem Gefolge zwei Sanitäter. Sie gingen zu dem Kanonenofen und knieten sich neben den jungen Mann.
Es war still, kein Laut war zu hören. Schneider ging wieder nach vorn und erklärte: »Schreiben Sie bitte Ihren Namen und die gültige
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