Ein gutes Omen
sein.«
»Und deshalb
gründen wir eine Aktiengesellschaft. Es wird Zeit, ganz groß ins Geschäft
einzusteigen, nicht wahr? Kalifornien bietet sich an. Ich stelle mir Fabriken,
Restaurants und so weiter vor. Wir behalten den Verlag, aber wir sollten unser
Kapital möglichst breit anlegen. Einverstanden?«
Frannie nickte.
»Klingt gut, Sable. Wir brauchen …«
Ein Skelett
unterbrach sie. Aber es war kein gewöhnliches Skelett. Dieses Skelett trug ein Dior-Kleid, und
sonnengebräunte Haut spannte sich fast bis zum Zerreißen straff über die
Knochen des Schädels. Es hatte langes blondes Haar und perfekt geschminkte
Lippen. Ja, Sie haben richtig getippt: eine Frau. Sie sah aus wie eine jener
Personen, auf die Mütter zeigen, um ihre Sprößlinge zu warnen: › Das passiert mit dir, wenn du dein Gemüse nicht
ißt.‹ Kennen Sie die Plakate, die auf Hungersnöte in Afrika hinweisen und um
Spenden bitten? Diese Frau hätte dafür sorgen können, daß sich die Kassen der
verschiedenen Hilfsorganisationen innerhalb weniger Tagen füllten.
Sie war das
berühmteste Fotomodell New Yorks – und sie hielt ein Buch in der Hand. »Äh,
bitte entschuldigen Sie, Mister Sable. Ich möchte Sie nicht stören, sondern
mich nur bei Ihnen bedanken, weil Sie mein Leben geändert haben. Wären Sie vielleicht
so nett, Ihr Werk für mich zu signieren?« Ihre tief in den Höhlen liegenden,
üppig mit Lidschatten bemalten Augen starrten Sable flehentlich an.
Er nickte
großzügig und nahm das Buch entgegen.
Es überraschte
ihn nicht, daß ihn die Frau erkannt hatte: die silberne Rückseite des Covers
zeigte sein Foto. D-Plan Diät: Wie man schlank und
attraktiv wird, lautete der
Titel. Und: Das Diät-Buch des Jahrhunderts!
»Wie heißen Sie?« fragte Sable.
»Sherryl. Zwei
Rs, ein Y, ein L.«
»Sie erinnern
mich an eine alte, alte Freundin«, sagte Sable und schrieb einige Worte auf die
Titelseite. »Das wär’s. Freut mich, daß es ihnen gefallen hat. Ich lege großen
Wert auf zufriedene Leser.«
Er hatte
folgendes geschrieben:
Für Sherryl
Ein Pfund Weizen um ein Silberstück und
drei Pfund Gerste um ein Silberstück; aber Öl und Wein taste nicht an!
Offb., Kap. 6,
Vers 6
Dr. Raven Sable
»Ein Zitat aus
der Bibel«, erklärte er.
Die Frau schloß
demütig das Buch, wich vom Tisch zurück und dankte Sable: »Oh, Sie ahnen gar
nicht, wieviel mir das bedeutet, Sie haben mein Leben geändert, ja von Grund
auf …«
Raven Sable
besaß gar keinen Doktortitel (damals hatte es noch keine Universitäten
gegeben), aber er erkannte deutlich, daß sich die Frau zu Tode hungerte. Er gab
ihr noch höchstens zwei Monate. D-Plan. Lösen Sie Ihr Gewichtsproblem. Für immer.
Frannie
hämmerte fleißig auf die Tasten ihres Laptop-Computers und bereitete die
nächste Phase des ökonomischen Feldzugs vor, der die Eßgewohnheiten in der
westlichen Welt den Vorstellungen Sables anpassen sollte. Raven hatte ihr das
Gerät geschenkt – es war sehr teuer, sehr leistungsfähig und sehr dünn. Er
mochte dünne Dinge.
»In Europa
steht ein Unternehmen zum Verkauf, das uns als Ausgangsbasis dienen könnte:
Holdings (Holdings) Incorporated. Dadurch bekommen wir eine Steueradresse in
Liechtenstein. Nun, wenn wir die Gelder erst auf die Cayman-Inseln überweisen,
dann nach Luxemburg weiterleiten und von dort aus in die Schweiz transferieren,
ist die Bezahlung der Fabriken …«
Sable hörte gar
nicht mehr zu. Er erinnerte sich an das kleine exklusive Restaurant. Nie zuvor
hatte er so viele reiche Leute so hungrig gesehen.
Raven lächelte
das ehrliche, offene und reine Lächeln eines Mannes, der mit seiner Arbeit
vollkommen zufrieden ist. Eigentlich vertrieb er sich nur die Zeit, bis es richtig losging. Aber er vertrieb sie sich auf eine
höchst angenehme Art und Weise. Sie gab ihm (und auch einigen Menschen) einen
herrlichen Vorgeschmack darauf, was Schicksal und Zukunft für den Planeten Erde
bereithielten.
Manchmal nannte man ihn
White. Oder Blanc. Oder Albus. Oder Chalky. Oder Weiss. Oder Snowy. Es gab noch
Dutzende von ähnlichen Namen. Er hatte blasse Haut, blaßblondes Haar und
blaßgraue Augen. Wer ihm einen beiläufigen Blick zuwarf, schätzte ihn auf gut zwanzig – und er bekam immer nur beiläufige Blicke.
Er war
unscheinbar. Kaum jemand erinnerte sich an ihn.
Im Gegensatz zu
seinen beiden Kollegen konnte er sich nie lange auf eine bestimmte Arbeit
konzentrieren.
An vielen
interessanten Orten erwarteten ihn viele
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