Ein gutes Omen
Crowley, »es isch eine Metaffer. Wenn der kleine Vogel den ganzen Berg
abgewetzt hat, nun, äh …«
Erziraphael
öffnete den Mund. Crowley wußte, daß ihn der Engel auf die unterschiedliche Härte zwischen
Vogelschnäbeln und dem ordentlich festen Granit eines Berges hinweisen wollte,
und deshalb brachte er seinen Satz hastig zu Ende.
»… dann
ist für dich die Zeit immer noch nicht vorbei, daß du den Sphärenklängen
lauschen mußt.«
Erziraphael
erstarrte.
»Und du wirst
es genießen«, fuhr
Crowley gnadenlos fort. »Das wirst du wirklich …«
»Mein lieber
Junge …«
»Du hast gar
keine andere Wahl.«
»Hör zu …«
»Der Himmel hat
keinen guten Geschmack.«
»Nun ja …«
»Nicht ein
einziges Sushi-Restaurant.«
Ein
schmerzhafter Ausdruck huschte über das plötzlich sehr ernste Gesicht des
Engels.
»Solche
Diskussionen kann ich nicht in betrunkenem Zustand führen«, sagte er. »Ich
werde jetzt wieder nüchtern.«
»Ich auch.«
Engel und Dämon
zuckten zusammen, als der Alkohol aus ihrem Blutkreislauf verschwand. Sie
strafften die Schultern, und Erziraphael rückte seine Krawatte zurecht.
»Es steht mir
nicht zu, die göttlichen Pläne zu verändern«, stöhnte er.
Crowley blickte
nachdenklich in sein Glas und füllte es.
»Was ist mit
diabolischen?« fragte er.
»Wie bitte?«
»Nun,
vermutlich ist es ein diabolischer Plan, nicht wahr? Wir sind dafür verantwortlich. Meine Seite.«
»Ja, mag sein,
aber es gehört alles zur göttlichen Vorsehung«, erwiderte Erziraphael. »Selbst die höllischsten Pläne der
Hölle werden sofort Teil der Unerfindlichkeit.« Es klang fast zufrieden.
»Das hättest du
wohl gern, wie?«
»Nein, so …«
Erziraphael schnippte ungeduldig mit den Fingern. »So ist es nun mal. Wie
würdest du es in deiner blumenreichen Sprache nennen? Die Fahne an der
Endstange.«
»Das Ende der
Fahnenstange.«
»Genau das ist
es.«
»Nun, wenn du
so sicher bist …«, sagte Crowley.
»Da gibt es
keinen Zweifel.«
Crowley blickte
verschlagen auf.
»Nun, dann gehe
ich sicher recht in der Annahme, daß die Vereitelung von Plänen ebenfalls zur
göttlichen Vorsehung gehört. Ich meine, deine Pflicht besteht doch darin, dem
Bösen bei jeder Gelegenheit einen Strich durch die Rechnung zu machen,
stimmt’s?«
Erziraphael
zögerte.
»Da kann ich
dir, äh, nicht widersprechen.«
»Du siehst ein
Zeichen teuflischer Heimtücke, und schon ergreifst du Gegenmaßnahmen. Habe ich
recht?«
»Im großen und
ganzen schon. Normalerweise beschränke ich mich darauf, die Menschen zu
ermutigen, den Kampf gegen höllische List und Schläue zu führen. Wegen der
Unerfindlichkeit, weißt du.«
»Nun gut. In
Ordnung.« Crowley nickte langsam. »Es genügt also eine Prise Vereitelung.
Soweit ich weiß, ist die Geburt nur der Anfang. Es kommt in erster Linie auf
das Milieu an. Auf die Einflüsse. Wenn bestimmte Stimulationen ausbleiben,
lernt das Kind nie, seine Fähigkeiten zu nutzen.« Er legte eine kurze Pause
ein. »Zumindest weiß es nicht, wie es seine Fähigkeiten einsetzen soll.«
»Meine Seite
hätte sicher nichts dagegen, wenn ich eure Pläne durchkreuze«, erwiderte
Erziraphael nachdenklich. »Ganz im Gegenteil.«
»Das brächte
dir eine weitere Feder für deine Flügel ein«, bestätigte Crowley und lächelte
zuversichtlich. »Ich meine …«
»Ich weiß, was
du meinst. Eine Auszeichnung. Eine offizielle Belobigung.« Der Engel starrte
eine Zeitlang ins Leere. »Was geschieht mit dem Kind, wenn es keine satanische
Ausbildung bekommt?«
»Wahrscheinlich
gar nichts. In dem Fall erfährt es nie, worin seine Aufgabe besteht.«
»Aber die Gene …«
»Hör mir bloß
mit Genen auf!« brummte Crowley. »Gene haben damit überhaupt nichts zu tun.
Nimm Satan als Beispiel. Man schuf ihn als Engel, und schließlich wurde er zum Großen
Widersacher. He, wenn es allein von den
Genen abhinge, könnte das Kind sogar zu einem Engel heranwachsen. Immerhin war
sein Vater damals ein hohes Tier im Himmel. Welch ein Unsinn anzunehmen, es
müsse durch und durch dämonisch sein, nur weil sein Papi zum Teufel geworden ist. Meine Güte, wenn man einer Maus den
Schwanz abschneidet, dann rechnet man doch nicht damit, daß sie später
schwanzlose Mäuse zur Welt bringt. Nein, die Umstände sind der entscheidende
Faktor. Die Erziehung. Glaub mir, ich weiß Bescheid.«
»Wenn es zu
keinen unmittelbaren satanischen Einflüssen kommt …«, begann Erziraphael.
»Dann muß die
Hölle
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