Ein gutes Omen
und
finsteren Aspekten der menschlichen Seele.* [* Er erwähnte
allerdings nicht, daß Attila freundlich zu seiner Mutter war und Vlad Dracul
nie sein tägliches Gebet vergaß.] Er versuchte, dem Jungen
beizubringen, wie man aufrührerische Reden hielt, um die breite Masse des
Volkes zu begeistern und zu beeinflussen.
Mr. Cortese
erzählte von Florence Nightingale* [* Allerdings
hütete er sich davor, über Syphilis zu sprechen.] und Abraham Lincoln. Er wies auf
die ästhetische Bedeutung der Kunst hin und erklärte dem Knaben, was es mit
freiem Willen, Selbstverleugnung und dem Prinzip ›Behandle andere so, wie du
selbst behandelt werden möchtest‹ auf sich hatte.
Beide lasen dem
Kind immer wieder aus der Offenbarung des Johannes vor.
Warlock
entwickelte sich nicht so, wie es die Lehrer von ihm erhofften. Trotz ihrer
Bemühungen zeigte er die bedauerliche Tendenz, in Mathematik gute Leistungen zu
erbringen. Weder Mr. Harrison noch Mr. Cortese waren mit den Fortschritten des
Jungen zufrieden.
Als Warlock
zehn war, interessierte er sich für Baseball. Er liebte Plastikspielzeug, das
sich in völlig anderes Plastikspielzeug verwandelte (nur ein gut geübtes Auge
konnte gewisse Ähnlichkeiten zwischen beiden erkennen). Er liebte seine
Briefmarkensammlung. Er mochte Kaugummi mit Bananengeschmack. Er mochte Comics
und Zeichentrickfilme und sein BMX-Rad.
Crowley machte
sich Sorgen.
Zusammen mit
Erziraphael saß er im Restaurant des Britischen Museums, einem weiteren
Refugium für die müden Infanteristen des Kalten Krieges. An einem Tisch zu
ihrer Linken saßen zwei Amerikaner in Anzügen, steif, als hätten sie einen
Ladestock verschluckt, und versuchten verstohlen, einen Aktenkoffer mit
hinterzogenen Dollars einer dunkelhaarigen kleinen Frau mit Sonnenbrille zu
übergeben. An dem Tisch zur Rechten stritten sich der Leiter der M17 und der
Offizier der örtlichen KGB-Abteilung, wer die Quittung für den Tee und die
Brötchen behalten durfte.
Crowley holte
tief Luft und sprach das aus, was er während der letzten zehn Minuten nicht
einmal zu denken gewagt hatte.
»Wenn du mich
fragst … Er ist viel zu normal. «
Erziraphael steckte sich ein weiteres Solei in den Mund und
beförderte es mit einem Schluck Kaffee nach unten. Mit einer Papierserviette
betupfte er sich den Mund.
»Es liegt an
meinem guten Einfluß«, verkündete er stolz. »Besser gesagt: an dem positiven
Wirken meiner Gruppe. Lob, wem Lob gebührt.«
Crowley
schüttelte den Kopf. »Das ziehe ich in Betracht. Hör mal, Erzi …
Inzwischen sollte er eigentlich versuchen, die Welt um sich herum zu krümmen,
wie ein Schwarzes Loch die Raum-Zeit in seiner unmittelbaren Umgebung krümmt.
Er müßte doch darauf aus sein, alles seinen Wünschen anzupassen und so weiter.
Nun, ich meine, es steckt natürlich keine bewußte Absicht dahinter. Es ist ein rein instinktives Verhalten. Aber hast
du irgend etwas beobachtet,
das auf entsprechende Ereignisse hindeutet?«
»Äh, nein …«
»Man sollte
annehmen, daß er bereits vor teuflischer Kraft nur so strotzt. Aber hat er
irgendwelche infernalischen Streiche begangen?«
»Nicht daß ich
wüßte.«
»Er ist zu
normal.« Crowley trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Irgend etwas geht
nicht mit rechten Dingen zu. Ich frage mich immer wieder, was wir falsch
gemacht haben. Vielleicht handelt es sich um ein Erziehungsproblem.«
Erziraphael
nahm sich ein Stück Kuchen von Crowleys Teller. »Nun, er ist kein kleines Kind
mehr. Er wächst heran. Hinzu kommt der himmlische Einfluß in seinem Leben.«
Der Dämon
seufzte. »Ich hoffe nur, er kommt mit dem Höllenhund zurecht.«
Der Engel
wölbte eine Braue. »Höllenhund?« wiederholte er.
»An seinem
elften Geburtstag. Gestern abend hat sich die Hölle mit mir in Verbindung
gesetzt.« Die Nachricht traf ein, als Crowleys Lieblingssendung im Fernsehen
lief: Golden Girls. Eine gewisse Rose brauchte zehn Minuten, um den Zuschauern etwas
mitzuteilen, das man in ein paar Worten hätte sagen können, und als die teuflische
Botschaft endete und der Bildschirm wieder das TV-Studio zeigte, hatte Crowley
den Faden verloren. »Die Fürsten der Finsternis schicken ihm einen Höllenhund,
der ihm nicht von der Seite weichen und ihn vor allem Guten bewahren soll. Das
größte Exemplar, das sie vorrätig haben.«
»Könnte nicht
jemand Verdacht schöpfen, wenn plötzlich ein großer schwarzer Hund auftaucht?
Ich denke da nur an die Eltern des Jungen.«
Crowley
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