Ein gutes Omen
schlimmstenfalls noch einmal von vorn anfangen«, erklärte Crowley. »Und
die Erde erhält elf zusätzliche Jahre. Das ist doch besser als gar nichts,
oder?«
Erziraphaels
Blick wurde noch nachdenklicher.
»Du meinst
also, das Kind sei nicht von Natur aus böse?« fragte er langsam.
»Es kann ebenso
böse wie gut sein«, antwortete Crowley. »Es ist ein Potential, das darauf wartet, geformt zu werden.« Er hob die Schultern. »Warum
reden wir überhaupt von Gut und Böse? Es sind doch nur Namen für unsere beiden
Seiten. Wir wissen
das.«
»Nun, es dürfte
sicher einen Versuch wert sein«, murmelte der Engel.
Crowley nickte
umgehend.
»Abgemacht?«
Der Dämon streckte die Hand aus.
Erziraphael
griff vorsichtig danach und schüttelte sie behutsam.
»Eins steht
fest«, sagte er, »diese Angelegenheit wird bestimmt hochinteressant. Um ganz
ehrlich zu sein: Ich habe es satt, mich dauernd mit irgendwelchen Heiligen zu
beschäftigen.«
»Darüber hinaus
ist es nur zum Besten des Kindes«, erwiderte Crowley. »Auf lange Sicht, meine
ich. In gewisser Weise sind wir seine Paten. Wir kümmern uns sozusagen um die
richtige religiöse Erziehung.«
Erziraphael
strahlte.
»Daran habe ich
noch gar nicht gedacht«, sagte er. »Paten. Ein Dämon und ein Engel. Da soll ich
doch verdammt sein.«
Crowley hob die
Brauen. »Das ist nicht mal so schlimm«, gab Crowley zu bedenken, »wenn man sich
daran gewöhnt hat.«
Man nannte sie Scarlett.
Derzeit verkaufte sie Waffen, obwohl sie allmählich den Spaß daran verlor. Sie
blieb nie sehr lange bei einem Job. Höchstens drei- oder vierhundert Jahre. Man
will ja nicht in einen Alltagstrott geraten!
Ihr
kastanienfarbenes Haar – weder rot noch braun – glänzte wie poliertes Kupfer.
Es reichte bis zu den Hüften hinab, in langen Zöpfen, für die sich Männer
umbrachten (dies ist keine Metapher). Die Augen glühten in einem seltsamen orangefarbenen Ton.
Scarlett sah wie eine fünfundzwanzigjährige Frau aus. Und zwar schon seit
Jahrhunderten.
Sie fuhr einen
staubigen ziegelroten Lastwagen voller Kriegsgerät und offenbarte ein geradezu
unglaubliches Geschick, wenn es darum ging, Grenzen zu überschreiten, ohne von
mißtrauischen Zollbeamten kontrolliert zu werden. Scarlett war auf dem Weg in
ein westafrikanisches Land, wo gerade ein kleiner Bürgerkrieg stattfand. Sie
wollte dort Waffen verkaufen und (mit etwas Glück) den kleinen Bürgerkrieg in
einen großen Bürgerkrieg verwandeln. Aber leider blieb ihr Lkw mit einem
Motorschaden liegen, den sie nicht selbst reparieren konnte.
Obwohl sich
Scarlett inzwischen in technischen Dingen recht gut auskannte.
Zu jenem
Zeitpunkt befand sie sich in einer Stadt.* [* Selbst Städte
sind relativ. Diese Stadt war so groß wie ein
verschlafener Ort in der englischen Provinz. Für Amerikaner übersetzt heißt
das: Ihre Ausmaße entsprachen einem kleinen Supermarkt.] Um ganz genau zu sein: Es handelte
sich um die Hauptstadt von Kumbolaland, einer afrikanischen Nation, in der
schon seit dreitausend Jahren Frieden herrschte. Dreißig Jahre lang hieß der Staat
Sir Humphrey Clarkson-Land, aber da er überhaupt keine verwertbaren Rohstoffe
aufwies und die strategische Bedeutung einer Banane hatte, entließ man ihn mit
auffallender Hast in die Unabhängigkeit. Kumbolaland mochte arm und langweilig
sein, aber wenigstens fanden dort keine Kämpfe statt. Die verschiedenen Stämme
kamen bestens miteinander aus und hatten ihre Schwerter längst in Pflugschare
verwandelt. Im Jahre 1952 kam es zu einem Zwischenfall: Auf dem Marktplatz
stritt sich ein betrunkener Viehtreiber mit einem ebenfalls betrunkenen
Viehdieb. Die Leute sprachen noch immer darüber.
Scarlett gähnte
in der Hitze, fächelte sich mit dem breiten Hut Luft zu, ließ den nutzlosen
Lastwagen auf der staubigen Straße zurück und betrat ein Lokal.
Sie bestellte
ein Bier, leerte die Dose, sah den Mann hinter der Theke an und lächelte. »Ich
brauche jemanden, der meinen Laster in Ordnung bringt«, sagte sie. »Gibt’s hier
irgendwo einen Mechaniker?«
Der Barkeeper
grinste von einem Ohr zum anderen und zeigte perlweiße Zähne. Die Art, wie
Scarlett ihr Bier trank, beeindruckte ihn. »Nur Nathan, Miß. Aber er ist nach
Kaounda gefahren, sieht auf der Farm seines Schwiegervaters nach dem Rechten.«
Scarlett nahm
eine zweite Dose. »Hm, Nathan. Haben Sie eine Ahnung, wann er zurückkehrt?«
»Vielleicht
nächste Woche. Oder in zwei Wochen, Teuerste. He, Nathan ist ein
Weitere Kostenlose Bücher