Ein gutes Omen
den Kindermädchen
handele, die in gewissen Magazinen nicht näher beschriebene, aber trotzdem
erstaunlich weitreichende Dienste anbieten.
Die flachen
Schuhe der Frau knirschten über den Kies der Zufahrt, als sie sich dem Gebäude
näherte. Ein großer grauer Hund folgte ihr wie ein Schatten. Weiße
Schaumflocken klebten ihm am Maul, und die Augen glühten scharlachrot. Er
drehte immer wieder den Kopf von einer Seite zur anderen und sah sich hungrig
um.
Die – noch –
Namenlose erreichte das aus massivem Holz bestehende Portal, lächelte, erlaubte
sich einen Sekundenbruchteil der Zufriedenheit und läutete. Irgendwo erklang
ein dumpfes, düsteres Bong.
Ein Butler der alten Schule* [* Eine private
Abendschule unweit der Tottenham Court Road. Geleitet wurde sie von einem in
die Jahre gekommenen Schauspieler, der seit den zwanziger Jahren (dieses
Jahrhunderts) Butler und Diener spielte, sowohl in Film und Fernsehen als auch
im Theater.] öffnete.
»Ich bin Tante
Ashtoreth, Kindermädchen«, stellte sich die Frau vor. »Und dies«, – sie deutete
auf ihren grauen Hund, der den Butler interessiert musterte und sich vielleicht
schon fragte, wo er anschließend die Knochen vergraben sollte –, »ist Wanderer.«
Sie ließ den
Hund im Garten, und es gelang ihr mühelos, beim Einstellungsgespräch den
richtigen Eindruck zu erwecken. Kurze Zeit später führte Mrs. Dowling das
Kindermädchen zu seiner neuen Aufgabe.
Tante Ashtoreth
lächelte gequält. »Was für ein entzückender Junge!« behauptete sie. »Sicher
möchte er bald ein Dreirad haben.«
Der Zufall
wollte es, daß am gleichen Tag noch jemand anders seine Arbeit antrat: der
Gärtner. Er erwies sich als außerordentlich tüchtig, was bei dem übrigen
Personal ein wenig Verwirrung stiftete. Er schien nie einen Spaten zur Hand zu
nehmen und unternahm nichts gegen die vielen Vögel, die plötzlich den Park
heimsuchten, ihn fröhlich umschwirrten und manchmal sogar auf seinen Schultern
landeten. Die meiste Zeit über saß er einfach nur im Schatten und beobachtete,
wie es um ihn herum blühte. Seltsamerweise blieben die Hecken immer in Form,
und nirgends wuchs Unkraut.
Als Warlock
laufen lernte, besuchte er den Gärtner häufig, allerdings nur an den freien
Nachmittagen Tante Ashtoreths.
»Dies hier ist
Schwester Schnecke«, sagte der Mann. »Und das ist Bruder Kartoffelkäfer. Denk
immer daran auf deinem kurvenreichen, mit vielen Hindernissen gepflasterten und
von Umleitungen unterbrochenen Pfad des Lebens: Liebe und achte die ganze
Vielfalt der Schöpfung.«
»Tante Aftorett
meint, Käfer und Würmer und folche Fachen foll ich mit den Stiefeln
zermatschen, Mr. Francif«, erwiderte Warlock. Er streichelte Schwester
Schnecke, wischte sich dann pflichtbewußt die Hand an seinem Muppet-Overall ab.
»Hör nicht auf
diese Frau!« sagte Francis. »Hör auf mich!«
Abends sang
Tante Ashtoreth dem Knaben seltsame Schlaflieder vor.
»Oh, der große alte Herzog von York,
Er hatte zehntausend Männer.
Er führte sie auf die Kuppe des Hügels
Und eroberte alle Länder der Erde
Und brachte sie unter die Herrschaft
Satans,
Unseres Gebieters.«
Oder:
»Dieses Schweinchen lief in den Hades.
Dieses Schweinchen blieb zu Haus. Dieses
Schweinchen aß rohes, dampfendes Menschenfleisch.
Dieses Schweinchen tat Jungfrauen Gewalt
an.
Und dieses Schweinchen erkletterte einen
Leichenberg und gelangte nach oben.«
»Bruder Francif der Gärtner
fagt, ich foll tugendhaft fein und Achtung vor dem Leben haben, auch vor
Fnecken und Kartoffelkäfern«, sagte Warlock.
»Hör nicht auf
den Mann!« flüsterte das Kindermädchen und legte den Knaben in sein kleines
Bett. »Hör auf mich!«
Und so ging es
weiter.
Die
Übereinkunft ließ sich großartig an. Keine Seite setzte sich durch. Tante
Ashtoreth kaufte dem Jungen ein Dreirad, aber sie konnte ihn nicht dazu
überreden, im Haus zu fahren. Außerdem fürchtete er sich vor Wanderer.
Im Hintergrund
trafen sich Crowley und Erziraphael in Bussen, Kunstgalerien und bei Konzerten,
verglichen ihre Notizen und schmunzelten.
Als Warlock
sechs wurde, verließ das Kindermädchen die Villa (sie nahm Wanderer mit). Der
Gärtner kündigte am gleichen Tag. Keiner von beiden verließ das Haus mit dem
gleichen forschen Schritt, mit dem sie es betreten hatten.
Kurz darauf
wurde Warlock von zwei Privatlehrern unterrichtet.
Mr. Harrison
berichtete ihm vom Hunnen Attila, von Vlad Dracul und den besonders dunklen
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