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Ein Hauch von Kirschblüten

Ein Hauch von Kirschblüten

Titel: Ein Hauch von Kirschblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Marcuse
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arbeiten für Firmen auf der
ganzen Welt. Glaubst du, wir hätten den Auftrag in Dubai an Land gezogen, wenn
sie wüssten, dass wir Homosexuelle beschäftigen?“
    Tom schluckte die bittere Galle
hinunter, die ihm in der Kehle brannte. Er selbst hatte die Verhandlungen mit
dem Scheich geführt. Es ging um die Präsentation eines neuen Hotels. Den
Abschluss des Vertrages hatten sie in einem privaten Club gefeiert, in dem
nicht ausschließlich Damen ihre Dienste feilboten. Tom hatte alle Kraft
aufbringen müssen, die unbeteiligte Fassade zu wahren und sich nicht von der
Situation verführen zu lassen. Ein Assistent des Scheichs hatte vor ihm mit
einer Frau und einem Mann gleichzeitig geschlafen, während der Scheich sich an
dem Schauspiel aufgeilte. Im Verborgenen war alles möglich, doch von diesen
Gepflogenheiten wusste sein Vater offenkundig nichts.
    Toms Schweigen schien diesen zu
einer weiteren Äußerung zu nötigen. „Es wundert mich nicht, dass du das nicht
verstehst.“
    „Um dem Ruf der Agentur gerecht
zu werden, brauchen wir fähige Mitarbeiter.“ Tom hasste sich dafür, dass er
laut wurde. Seine Emotionen spielten völlig verrückt. Noch ein abfälliges Wort
und er würde ...
    „Du vergreifst dich im Ton, Sohn.
Ich habe entschieden. Mehr musst du nicht wissen. Ach, das hätte ich fast
vergessen ...“
    Tom wusste, dass jetzt der
eigentliche Grund ihres Gespräches kam. Volker Richter vergaß nie etwas. Er
wusste genau, in welche Bahnen er ein Gespräch lenken musste, um an sein
gewünschtes Ziel zu kommen. In Toms Innerem herrschte ein Chaos, dessen er kaum
Herr wurde. Es kostete ihn alles, eine kühle Fassade zu wahren. Daniel Junkers
– schwul? Vielleicht hatte er sich deshalb so gut mit ihm verstanden? Sie waren
ein perfektes Team gewesen. Es schmerzte Tom doppelt, ihn verloren zu haben –
als Mitarbeiter und einen der wenigen Menschen, denen er in der Firma vertraute.
    „Am Samstag findet in der Villa
ein kleiner Empfang statt. Es wird Zeit, dass du heiratest und dich um einen
Erben kümmerst. Ich habe eine ausgewählte Klientel eingeladen. Es versteht sich
von selbst, dass du anwesend bist. Und rasier dich gefälligst, du siehst
ungepflegt aus.“
    Tom wusste, er sollte schäumen
vor Wut, sich auflehnen, seinem Vater die Meinung sagen, doch ihm fehlte die
Kraft dazu. Der ganze innerliche Aufruhr verpuffte von einer Sekunde zur
anderen. Schon zu oft hatte er auf verlorenem Posten gekämpft. In ihm war
nichts als Leere.
    „Ich werde nicht da sein. Heute
Nachmittag geht mein Flug nach Tokio.“
    „Du wirst gehorchen! Haben sie
dir im Internat denn gar nichts beigebracht?“
    „Doch, das haben sie. Ich habe
gelernt zu hassen.“
    Für einen Moment glaubte Tom,
Bestürzung in den Augen seines Vaters zu sehen. Das war er auch, doch aus
anderen Gründen.
    „Du wagst es, so mit mir zu
sprechen? Ich bin dein Vater und der Chef dieses Unternehmens. Mein Wort ist
Gesetz.“
    „Aber sicher doch – Vater.“
     
    Er war nach Tokio geflogen, hatte
die Anrufe seiner Sekretärin ignoriert und versucht, Entspannung und Ruhe zu
finden. Die Gespräche mit Meister Sakkura halfen ihm diesmal nur bedingt.
Sakkura war, neben einem begnadeten Tätowierer, auch Zen-Meister, ein
spiritueller Führer. Tom besuchte ihn seit drei Jahren, hatte bei ihm immer ein
offenes Ohr und Verständnis gefunden. An besagtem Abend, als ihm Jan begegnete,
hatte er seinem Meister offenbart, dass er homosexuell war. Ein weiches Lächeln
war über Sakkuras Gesicht geglitten. „Nichts geschieht ohne Grund, mein Sohn“,
hatte er gesagt.
    Meister Sakkura war der einzige
Mensch, bei dem das Wort Sohn nicht wie ein Schimpfwort klang. Allein dessen
Stimme hatte Toms innere Leere mit einem winzigen Gefühl der Wärme erfüllt.
Dass es einen Grund geben sollte, warum sein ohnehin verkorkstes Leben auch
noch durch sein Schwulsein belastet wurde, konnte er hingegen nicht glauben.
    Bis zu diesem Abend.
     
    Die Musik trug ihn davon. All den
Schmerz und die Ängste ließ er über die Finger in die Tasten fließen. Die
klagende Melodie erfüllte sein Herz. Endlich etwas spüren, und wenn es nur
Sehnsucht ist.
    Die Session war viel zu schnell
vorbei. Doch er wollte die beiden Musiker nicht länger mit seiner Melancholie
quälen. Wären nicht so wenige Gäste da, hätte er etwas Schnelleres,
Fröhlicheres spielen müssen. Er sah es als Geschenk, dass es ihm vergönnt war,
für ein paar Minuten seinen Gefühlen freien Lauf lassen zu können.
    Tom

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