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Ein Hauch von Kirschblüten

Ein Hauch von Kirschblüten

Titel: Ein Hauch von Kirschblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Marcuse
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verlieren, von denen du es nie gedacht hättest, aber auf die, die
am Ende übrig sind, kannst du dich verlassen.“
    „Ich habe keine Freunde, die ich
verlieren könnte.“
    Toms Stimme klang so brüchig,
dass Jan ihn am liebsten in den Arm genommen hätte, doch er spürte, dass er es
nicht zulassen würde. Es war das erste Mal, dass Tom etwas so Persönliches aus
seinem Thomas-Richter-Leben preisgab. Jan rührte sich nicht, ließ ihn einfach
reden.
    „Wer Kontakt zu mir sucht,
erhofft sich etwas davon. Es sind oberflächliche Bekanntschaften, die ich im
letzten halben Jahr auch kaum gepflegt habe. Diese Menschen bedeuten mir
nichts, und es ist mir egal, was sie über mich denken. Es ist die
Company ...“
    Jan wartete geduldig, dass Tom
weitersprach, doch er tat es nicht. Er starrte einen Punkt auf dem
Frühstückstisch an und schien weit weg zu sein. Einsamkeit umgab ihn wie eine
dunkle Aura. Jan konnte nicht anders – er stand auf und zog Tom in die Arme.
    „Ich muss mich anziehen“, sagte
dieser und löste sich von Jan.
    „Ich bin für dich da, Tom. Du
kannst über alles mit mir reden. Das weißt du doch?“
    Tom nickte, sah ihn traurig an,
hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und verließ die Küche.
     
    „Hey Alter, komm rein. Wie geht’s
dir?“
    Es versetzte Jan jedes Mal einen
Stich, Steffen im Rollstuhl zu sehen. Vor einem Jahr war er bei einer
Klettertour abgestürzt und hatte sich den zweiten Lendenwirbel gebrochen.
    „Mir geht’s blendend. Und dir?“
    „Man rollt sich so durchs Leben.“
    Sarkasmus war dessen zweiter
Vorname geworden. Jan konnte es ihm nicht verübeln. Von einem Tag zum anderen
hatte sich sein ganzes Leben geändert. Er konnte sich nicht annähernd ausmalen,
wie schwierig es sein musste, sich vollkommen neu zu orientieren.
    Jan folgte Steffen ins
Wohnzimmer, warf die Jacke auf die Couch und setzte sich.
    „Was willst du trinken?“
    „Nichts. Hab gerade
gefrühstückt.“
    Steffen sah auf die Uhr. „Es ist
elf Uhr?“
    „Und? Ich hab Urlaub.“
    „Wie läuft’s denn so, Herr Doktor?“
    „Geht so.“
    „Das klingt nach Stress?“
    „Ich wusste, dass es stressig
wird, damit habe ich keine Probleme. Die Kollegen sind prima und die Schwestern
umschwärmen mich wie die Motten das Licht.“
    „Die armen Mädels“, grinste
Steffen. „Vielleicht sollte ich dich in der Klinik besuchen, damit sie mal
wieder einen richtigen Mann sehen.“
    „Solltest du tun.“
    „Also, schieß los! Wo liegt der
Hund begraben?“
    „Ich weiß, es klingt
bescheuert ... Ich meine, ich bin Arzt aus Leidenschaft. Schon mit zehn
Jahren wusste ich, dass ich Chirurg werden wollte. Und jetzt komme ich mit dem
Tod nicht klar. Ich weiß, ich kann nicht jeden retten, aber ...“ Er wollte
es so gern. Was hatte das alles für einen Sinn, wenn er doch nichts tun konnte?
    „Manchmal habe ich mir gewünscht,
ich wäre auf dem OP-Tisch gestorben.“
    „Sag so was nicht.“
    „Tue ich aber. Überlebt ein
Patient nicht, hatte er einfach nicht mehr genügend Kraft. Du hast keine
Schuld, wenn sein Körper versagt. So ist das Leben. Warum ich mich so daran festgeklammert
habe, verstehe ich bis heute nicht. Sieh mich doch an: nutzlos, völlig
überflüssig.“
    „Du weißt, dass das Unsinn ist.
Du bist ein begnadeter Fotograf, alle lieben deine Bildbände.“
    „Was nützt mir das? An die
wirklich coolen Locations komme ich nicht mehr ran. Ich werde nie wieder in die
Berge können, nie wieder einen Gipfel erklimmen. Das ist doch alles Scheiße!
Glaub mir, stirbt ein Mensch in deinem OP, wollte er es so.“
    Jan schluckte. Er teilte Steffens
Ansicht nicht, konnte nicht einfach den Menschen die Schuld daran geben, wenn
er versagte. Was ihn jedoch schockierte, war Steffens Verbitterung.
    „Mir war nicht bewusst, dass du
dein Leben so hasst.“
    „Ich hasse es nicht. Es kotzt
mich an – momentan. Dieser beschissene Schnee fesselt mich ans Haus. Komm, ich
will dir was zeigen.“
    Jan folgte Steffen ins
Nachbarzimmer. Hier war dessen Atelier. Überall an den Wänden hingen
Fotografien. In der Mitte des Raumes stand der Schreibtisch. Man sah den
Bildschirm kaum. Der Tisch war über und über mit Fotos und Papierkram bedeckt.
Steffen schob ein paar davon zusammen und nahm den Stapel auf den Schoß. Die
Tastatur kam zum Vorschein.
    „Die habe ich vor einer Woche
gemacht.“
    Jan staunte nicht schlecht. Es
waren Aufnahmen vom Strand. Er erinnerte sich, dass letzte Woche zwei sonnige
Tage gewesen waren,

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