Ein Hauch von Kirschblüten
dass
er mit einem der besten Fotografen der Welt an den Strand gehen will, konnte
ich nicht widerstehen und habe mich angeschlossen. Ich hoffe, Sie haben nichts
dagegen, dass ich Sie begleite.“
Steffen gab einen unwirschen Laut
von sich. Es schien eine Weile du dauern, bis jedes Wort seinen Verstand
erreichte. Plötzlich riss er den Kopf hoch, sah mit offenem Mund zwischen Jan
und Tom hin und her und begann zu lachen. Er hörte erst auf, als ihm Tränen
über die Wangen liefen.
„Das ist ja der Wahnsinn – Thomas
Richter – und schwul. Die Welt ist verrückt!“
Jan spürte, dass Tom nun doch
etwas unwohl in seiner Haut wurde.
„Es wäre mir lieb, du behältst
das für dich. Es darf niemand erfahren. Den Zeitpunkt bestimmt ganz allein Tom.
Ist das klar?“
Steffen streckte nun seinerseits Tom
die Hand entgegen. „Ist mir eine Ehre, Tom. Dein Geheimnis ist bei mir sicher.“
„Puh! Danke! Ich hatte schon ein
schlechtes Gefühl bei der Sache.“
„Und ich dachte, Jan will mich
mit Gewalt ins Leben zurückzwingen.“
„Erst mal zwingen wir dich in den
Schnee. Wieso bist du noch nicht angezogen?“
„War ich schon, aber du warst ja
scheinbar mit Turteln beschäftigt.“
Jan und Tom stöhnten
gleichermaßen ungehalten auf. „Na, das kann ja heiter werden.“
„Ich glaube, ich schau mir doch
lieber die Fotos vom Hotel an.“
„Du hast Fotos gemacht. Zeig mal
her.“
„Die Kamera habe ich bei Harald
gelassen.“
„Oh! Harald! Wie lange seid ihr
schon ein Paar?“
„Seit knapp drei Monaten. Und du
hältst deine vorlaute Klappe, sobald wir vor der Tür sind. Lass mich nicht
bereuen, dass ich dir vertraue.“
Völlig außer Puste hielten sie
auf der Düne an. Ohne Tom hätten sie es bis hier hinauf nie geschafft. Sie
hatten den Rollstuhl durch den Tiefschnee tragen müssen. Schieben war
unmöglich. Dafür bot sich ihnen ein spektakulärer Ausblick.
Grau und Weiß waren die
vorherrschenden Farben. Die Sonne brach sich gelegentlich durch die Wolkendecke
Bahn. Dann präsentierten ihre Strahlen eine faszinierend fremdartige
Atmosphäre. Es war bereits später Nachmittag, sie stand tief und erzeugte ein
unwirkliches Licht.
Die Geräusche des Windes und der
leichten Brandung wurden durch ein permanentes Klicken unterbrochen. Steffen
schoss ein Bild nach dem anderen, lehnte sich manchmal so weit aus dem
Rollstuhl, dass Jan glaubte, er würde herausfallen. „Einfach irre! Dieses
Licht! Seht ihr das? Der Wahnsinn! Könnt ihr mich da runter bringen? Ich muss
diese Eisschollen festhalten.“
„Dürfen wir uns erst mal erholen?
Du bist nicht gerade ein Leichtgewicht.“
„He, ich wiege nur noch knapp 60
kg. Du bist einfach nicht gut in Form.“
„Na los!“, sagte Tom. „Sonst gibt
der Kerl nie Ruhe. Er stört die Stille mit dem Gequassel.“
Steffen maulte, während Tom und
er ihn die Düne hinunter zum Strand trugen. Bella sahen sie in der Ferne die
Wellen verbellen. Dann kam sie zurück, sahnte ein paar Schneebälle und ein
Leckerli ab und war wieder verschwunden.
Sie waren die Einzigen am Strand.
Eine friedliche Idylle, wäre das ständige „Klasse“ und „Unglaublich“ im Hintergrund
nicht gewesen.
Jan stand einen halben Meter vom
Wasser entfernt und sah in die unendliche Weite. Er hielt die Luft an, als Tom
plötzlich neben ihn trat und einen Arm um seine Taille legte.
„Es ist wunderschön hier.“
„Ja, das ist es. Bloß ein bisschen
kalt.“
Tom nahm ihn tatsächlich noch
fester in den Arm. „Ich wärme dich heute Abend wieder auf.“ Toms Lippen suchten
die seinen.
„Was, wenn uns jemand sieht?“
„Hier ist niemand außer Bella und
Steffen. Ich habe dich noch nie unter freiem Himmel geküsst.“
„Nein, hast du nicht.“
Es war unglaublich. Ihre Lippen
waren eiskalt, fühlten sich fast taub an, aber ihre Zungen waren heiß wie
emporlodernde Flammen. Toms Hände, die vom Tragen des Rollstuhls und den
Schneebällen für Bella glühten, lagen auf seinen Wangen und sandten zusätzliche
Wärme in sein Innerstes. Es dauerte nicht lange und Jan gab seufzende Laute von
sich. Tom musste schmunzeln und löste sich von ihm.
„Selbst in dieser frostigen Kälte
bringe ich dich zum Stöhnen.“
„Du hast ungeahnte Talente.“
Tom lachte sein unvergleichliches
Tomlachen. Selbst Steffen guckte schmunzelnd zu ihnen herüber. Jan sah
entsetzt, dass er ganz blaue Lippen hatte und die Kamera in den Händen
zitterte.
„Wir sollten zurückgehen. Ich
friere mir den Arsch ab“,
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