Ein Hauch von Moder
andere auf der Welt. Wenigstens für mich.
Bei Aktionen wie diesen drängte immer die Zeit. Ich überstürzte dennoch nichts, bewegte nicht nur die Beine, auch den rechten Arm mit der Lampe.
Der Kegel beschrieb einen Kreis. Er huschte über den Untergrund, aber auch halbhoch darüber, glitt an schwarzen, feuchten Wänden entlang, tauchte tief in das Dunkel, ließ große Spinnennetze flirren, als wären sie von innen beleuchtet und erreichte das Ziel, das ich so sehr gesucht hatte.
Glenda!
Ich blieb wie angenagelt stehen, weil ich damit nicht gerechnet hätte. Glenda stand nicht, sie lag auch nicht. Sie befand sich in einer Schräglage, ohne sich rühren zu können.
Jemand hatte sie an ein übergroßes, steinernes Templerkreuz gefesselt, auf dessen oberen Balken Baphomeths widerliche Fratze glühte.
***
Ein entweihtes Kreuz!
Wer immer es getan haben mochte - wahrscheinlich war es Hartford gewesen —, der kannte sich aus.
Das Templer-Kreuz ist nicht mit dem normalen zu vergleichen. Es sieht gedrungen aus und besitzt Ähnlichkeit mit einem vierblättrigen Kleeblatt. Seine Arme sind gleich lang und gleich breit. Bei den Kreuzzügen haben es die Templer stolz auf ihren Fahnen getragen und diese wild geschwungen, als sie gegen die Ungläubigen ritten, um die Stadt Jerusalem zu befreien.
Doch dieses Kreuz hier besaß das Zeichen des Bösen. Die Fratze eines widerlichen Dämons, dem sich eine Templergruppe angeschlossen hatte: Baphometh.
In alter Zeit war unter seinem Namen enorm viel Unheil angerichtet worden, und dies sollte sich in der Gegenwart wiederholen, wenn es nach dem Willen der gefährlichen und satanischen Templergruppe ging, der ich bereits mit dem Auffinden des Dunklen Grals einen Riegel vorgesetzt hatte. [1]
Es war mir gelungen, Baphometh zu vertreiben, zurückzustoßen in unheimliche Reiche, nun kroch er wieder hervor, wie mir die widerliche Fratze anzeigte.
Das Templerkreuz und Baphometh!
Eine Verbindung, die es eigentlich nicht geben durfte, die aber trotzdem nicht so weit hergeholt worden war, denn im Jahre 1932 hatte ein Esoteriker aus einem geheimnisvollen Wort-und Buchstabenquadrat alle Buchstaben außer A und B gestrichen, so daß man darin das Templerkreuz einzeichnen konnte.
Ein B blieb immer übrig. Und das genau in der Mitte des Kreuzes. So war dieser Buchstabe das Synonym für den Namen Baphometh. Spekulationen, gewiß, aber in diesem Fall zu einer Tatsache geworden. Das Kreuz, das aus zwei heraldischen Figuren bestand, die man Fyrfos nennt, stand gekippt. Glenda, die am Kreuz gefesselt war, befand sich in einer Rückenlage. Sie konnte mich nicht direkt sehen, da sie gegen die Decke starrte.
Ich lief noch nicht auf sie zu. Rechts und links des Kreuzes leuchtete ich die unmittelbare Umgebung ab, weil ich damit rechnete, einen alten Bekannten zu sehen, doch der weiße Lichtstreifen glitt nur über das Geröll auf dem Boden der moderdurchwehten Totengruft.
»Bitte, John, komm zu mir. Ich… ich friere so…«
»Keine Sorge, Mädchen, ich bin gleich da. Wo steckt er? Wo ist Basil Hartford?«
»Ich weiß es nicht.«
»War er hier in der Gruft?«
»Ja.«
»Ist er mit den anderen gegangen oder geritten? Weißt du das? Hast du es gesehen?«
»Ich… ich konnte nicht darauf achten.«
»Kannst du mir sonst noch etwas sagen, Glenda?«
»Er wußte, daß du kommen würdest. Er hat stets gesagt, daß du sehr schlau bist und dich auf die Fährte setzen würdest. Du könntest den Weg nicht verfehlen.«
Ich war während der Unterhaltung auf Glenda zugegangen. Sehr dicht blieb ich vor ihr stehen. Sie blinzelte, als sie in das Licht meiner Lampe schaute und geblendet wurde.
Ich lächelte sie an.
Ihre Lippen zuckten, als sie zurücklächeln wollte. Sie sah erschöpft aus, war verschmutzt, und in ihren Augen glitzerten die Tränen. »Hat man dich gequält?« fragte ich leise.
»Nicht, keine Folter. Aber er hat mich mit Draht festgebunden. Dieses Kreuz ist verdammt, es ist heiß. Ich spüre es, wie es in mir ist. Das Böse — Baphometh. Und ich… ich rieche den Moder. Er ist einfach überall, auch bei mir.«
»Sir James«, sagte ich. »Was ist mit ihm?« Gleichzeitig bückte ich mich, weil ich die Fesseln unter den Figuren lösen wollte. Dort mußten sie einfach verknotet sein, denn über Glendas Arm-und Beingelenke waren nur die normalen blanken Drähte gezogen.
»Rieche ich noch, John?«
»Ich weiß es nicht.«
»Bitte…«
»In dieser Gruft liegt ein permanenter Modergeruch. Ich
Weitere Kostenlose Bücher