Ein Hauch von Schmerz: Erotischer Roman (German Edition)
sich die Hacken wundlief, hatte sie bisher nur ein paar Statistenrollen und einen zehnsekündigen Auftritt in einem Werbeclip an Land ziehen können. Sie lebte immer noch von Gelegenheitsjobs, und das nervte sie, zumal sie dabei nicht mehr vom großen Durchbruch träumte, sondern sich fragte, ob sie nicht besser etwas Vernünftiges lernen sollte. Ihr sonniges Gemüt hatte sie dabei zum Glück nicht eingebüßt. Aber als sie vor einer Woche zusammen shoppen gewesen waren, hatte Unsicherheit in ihrer Stimme mitgeschwungen, als sie April gefragt hatte, was sie falsch machte, und ob sie ihr nicht einen tollen Trick oder entscheidenden Kniff verraten könnte.
»Du bist ein sehr eigener Typ und zugleich wandelbar. Du hast Temperament, Ausstrahlung, Disziplin, Präsenz. Ich würde dir sofort eine Rolle geben. Hätte ich geahnt, dass ich mal eine Freundin haben würde, die dringend jemanden braucht, der sie entdeckt, wäre ich nicht Psychologin geworden, sondern Filmproduzentin.«
Das war der Stand der Dinge, und der hatte sich inzwischen wohl nicht geändert, sonst hätte Carly sie längst angerufen, um ihr die frohe Botschaft mitzuteilen.
Carly hatte jetzt auch April gesehen und winkte lebhaft. Sie versuchte, schneller zu gehen, was aber schwierig war, denn sie trug ein hellgraues Kostüm mit Bleistiftrock und absolut tödliche Stilettos.
Schließlich hatte sie es geschafft. Schwungvoll warf sie ihre Umhängetasche auf den freien Stuhl an Aprils Tisch, breitete die Arme aus und sagte: »Mein einziger Trost ist, dass es sich in meinen Memoiren gut machen wird.« Sie warf Jonas, der in der Eingangstür des Cafés erschienen war, eine Kusshand zu. »Ich hätte gern dasselbe wie meine wunderschöne Freundin. Ist sie nicht eine Augenweide? Ich wünschte, ich hätte dieses seidige, honigfarbene Haar, die ausdrucksvollen Augen, den zarten Teint, die süßen Lippen.«
April stand auf und drückte Carly lachend auf den Stuhl, während sie die Umhängetasche wegzog. Wie gut, dass Carly bei ihr kein Fremdschämen auslöste, aber etwas anstrengend war sie manchmal schon.
Jonas zwinkerte April amüsiert zu und verschwand im Inneren des Cafés.
»Ich führe jetzt Tagebuch«, sagte Carly. »Sonst muss ich später meinen halben Lebenslauf erfinden. Wusstest du, dass Julia Roberts als Kind wegen ihrer Hässlichkeit gehänselt wurde, vor allem weil sie einen großen Mund hatte? So ein Kindheitstrauma habe ich nicht vorzuweisen, aber immerhin kann ich eines Tages schreiben, dass mein Weg zum Ruhm steinig war. Bei der Oscarverleihung werde ich in Tränen ausbrechen und mich bei all jenen bedanken, die trotz allem zu mir gehalten und an mich geglaubt haben. Ach, das wird ergreifend.« Sie grinste. »Du wirst ganz oben auf meiner Dankesliste stehen.«
Jonas erschien mit Carlys Gedeck. »Hm, Muffins.« Carly leckte sich über die Lippen. »Die schmecken so gut, wie meine Freundin küsst.«
April drückte Carly eine Hand auf den Mund. »Tut mir leid«, sagte sie zu Jonas. »Ich lege ihr sonst immer einen Knebel an, aber heute habe ich ihn vergessen.«
»Wir können damit leider auch nicht dienen.« Der Kellner ging grinsend zu einem anderen Tisch.
April ließ Carlys Mund los. »Ich habe so eine leise Ahnung, dass du mich mit dem jungen Mann verkuppeln willst.«
»Da merkt man die Psychologin. Du durchschaust die subtilen Ebenen der Kommunikation.« Carly teilte den Muffin mit der Gabel und schnupperte am Inneren des Gebäcks. »Hm, riecht das schokoladig.« Sie sah zu Jonas rüber, der ihnen seinen knackigen Hintern zuwandte. »Ein Sonnyboy Anfang zwanzig, gut aussehend, von jugendlicher Frische. Das ideale Kontrastprogramm zu Master Blain, Gebieter der Wehrlosen, Folterknecht der –«
Wieder musste April Carlys Redefluss mit der Hand stoppen, denn am Tisch nebenan setzte sich ein älteres Paar. »Zu spät«, sagte sie.
»Wie … was ist zu spät?«, wollte Carly wissen, nachdem sie Aprils Hand weggeschoben hatte.
»Dein Verkupplungsversuch. Es gibt bereits ein Kontrastprogramm.«
Carly nahm einen Schluck Tee, stellte die Tasse ab, schob sich die Haare hinter die Ohren, stützte die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn auf die Fäuste. »Ich lausche ergriffen.«
Sie redete zwar meist ohne Punkt und Komma, aber wenn es darauf ankam, konnte sie ausgezeichnet zuhören. Hingerissen sog sie alles auf, was April von der Begegnung mit Ray erzählte. Nur ein Blinzeln hin und wieder und kleine »Huch«-Laute zeigten, dass sie nicht zur
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