Ein Hauch von Schnee und Asche
Sassenach.« Jamie langte über den Tisch und schnappte sich das letzte Stück Toast. Wachsam wie immer, entführte Mrs. Bug den Teller, um ihn nachzufüllen.
»So unvorsichtig bin ich nicht«, sagte Claire. Sie tupfte mit dem Zeigefinger in einen Honigtropfen und leckte ihn ab. »Bis jetzt glauben sie nur, dass ich im Pakt mit dem Teufel bin; wenn ich ihnen mein Alter verraten würde, hätten sie Gewissheit.«
Roger gluckste, dachte aber insgeheim, dass sie Recht hatte. Die Spuren ihrer Misshandlung waren fast verschwunden, die blauen Flecken verblasst und ihr Nasenrücken gerade und sauber verheilt. Selbst ungekämmt und mit aufgedunsenen Schlafaugen sah sie noch verdammt gut aus. Sie hatte zarte Haut, dichte Locken und feine Gesichtszüge, von denen die Fischersleute aus den Highlands nur träumen konnten. Ganz zu schweigen von ihren Augen, die golden wie Sherry waren und denen nichts entging.
Zu diesen Gaben der Natur kamen noch die Hygiene und Ernährung des zwanzigsten Jahrhunderts – sie hatte noch sämtliche Zähne, alle weiß und
gerade -, und sie ging leicht für zwanzig Jahre jünger durch als andere Frauen ihres Alters. Er empfand diesen Gedanken als tröstlich; vielleicht hatte Brianna ja die Kunst, in Schönheit zu altern, von ihrer Mutter geerbt. Sein Frühstück konnte er sich schließlich jederzeit selbst machen.
Jamie hatte seine Mahlzeit beendet und war die Bibel holen gegangen. Er kam zurück und legte sie neben Rogers Teller.
»Wir gehen mit euch zur Beerdigung«, sagte er und deutete auf das Buch. »Mrs. Bug – könntet Ihr bitte einen kleinen Korb für die Crombies packen?«
»Schon geschehen«, sagte sie und stellte einen großen Korb vor ihm auf den Tisch, der mit einem Tuch zugedeckt war und vor Köstlichkeiten überquoll. »Könnt Ihr ihn mitnehmen? Ich muss Arch Bescheid sagen und mein gutes Schultertuch holen, und wir sehen uns dann am Grab, aye?«
An diesem Punkt kam Brianna herein, gähnend, aber ordentlich zurechtgemacht. Sie fing an, Jem wieder in einen präsentablen Zustand zu versetzen, während Claire verschwand, um ihre Haube und ihr Schultertuch zu suchen. Roger griff nach der Bibel, um die Psalmen nach etwas durchzublättern, das hinreichend ernst und gleichzeitig erhebend war.
»Vielleicht der dreiundzwanzigste?«, sagte er halb zu sich selbst. »Schön kurz. Stets ein Klassiker. Und der Tod wird immerhin erwähnt.«
»Wirst du eine Grabrede halten?«, fragte Brianna interessiert. »Oder eine Predigt?«
»Oh, Himmel. Daran hatte ich gar nicht gedacht«, sagte er bestürzt. Er räusperte sich probeweise. »Gibt es noch Kaffee?«
In Inverness hatte er vielen Beerdigungen beigewohnt, die der Reverend abhielt, und er war sich der Tatsache wohl bewusst, dass das zahlende Publikum ein solches Ereignis als traurigen Misserfolg betrachtete, wenn nicht mindestens eine halbe Stunde lang gepredigt wurde. Allerdings konnten Bettler nicht wählerisch sein, und die Crombies konnten nicht erwarten -
»Warum hast du denn eine protestantische Bibel, Pa?« Brianna, die gerade ein Stück Toast aus Jemmys Haaren befreite, hielt inne und lugte Roger über die Schulter.
Er schloss das Buch überrascht, doch sie hatte Recht; King James Version stand dort in fast verblichenen Buchstaben.
»Sie war ein Geschenk«, sagte Jamie. Seine Antwort klang beiläufig, doch Roger sah hoch; es lag etwas Seltsames in Jamies Stimme. Brianna hörte es ebenfalls; sie warf ihrem Vater einen kurzen, scharfen Blick zu, doch sein Gesicht war seelenruhig, als er jetzt einen letzten Bissen Schinken verspeiste und sich die Lippen abwischte.
»Möchtest du einen Schluck in deinen Kaffee, Roger Mac?«, sagte er und wies auf Rogers Tasse, als sei es die größte Selbstverständlichkeit der Welt, Whisky zum Frühstück anzubieten.
Eigentlich war es angesichts dessen, was ihm bevorstand, eine wirklich verlockende Vorstellung, doch Roger schüttelte den Kopf.
»Nein, danke; es geht schon.«
»Bist du sicher?« Brianna verlagerte den scharfen Blick in seine Richtung. »Womöglich solltest du das aber. Für deinen Hals.«
»Es geht schon«, sagte er knapp. Er machte sich selber Sorgen um seine Stimme; er brauchte das Mitleid der rothaarigen Fraktion nicht, deren drei Mitglieder ihn jetzt mit einer Nachdenklichkeit betrachteten, die er als extremen Zweifel an seiner Artikulationsfähigkeit interpretierte. Möglich, dass ein Schluck Whisky seinem Hals half, doch er zweifelte, dass er seine Predigt verbessern
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