Ein Hauch von Schnee und Asche
überging.
»Nun, dann kommt, wir suchen sie, ja?« Jamie wandte sich zur Seite und setzte sich in Bewegung, in den Wald und auf die Stimme zu.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig als ihm zu folgen. Brianna drückte Roger den Arm, löste sich dann aber von ihm, um dicht neben ihrem Vater herzugehen, damit Jemmy sie sehen und sich sicher fühlen konnte.
»Ist schon okay, Kumpel«, sagte sie leise. Das Wetter wurde kälter; ihr Atem verdampfte in weißen Wölkchen. Jemmys Nasenspitze war rot, und
seine Augenränder schienen leicht gerötet zu sein – brütete er etwa eine Erkältung aus?
Sie streckte die Hand aus, um ihm an die Stirn zu fassen, doch just in diesem Moment brach die Stimme erneut los. Diesmal schien jedoch etwas mit ihr geschehen zu sein. Es war ein schrilles, dünnes Geräusch; nicht das geübte Jammern, das sie zuvor gehört hatten. Und unsicher – wie ein Gespensterlehrling, dachte sie halb beklommen, halb scherzhaft.
Es erwies sich tatsächlich als Lehrling, wenn auch nicht als Gespenst. Ihr Vater duckte sich unter einem tief hängenden Kiefernzweig hindurch, und sie folgte ihm. Sie kamen auf einer Lichtung heraus und sahen sich zwei überraschten Frauen gegenüber – oder besser einer Frau und einem jungen Mädchen. Beide hatten Schultertücher um ihre Köpfe geschlungen. Brianna kannte sie, aber wie hießen sie nur?
»Maduinn mhath, maighistear« , sagte die ältere der beiden, die sich jetzt von ihrer Überraschung erholte und einen tiefen Hofknicks vor Jamie machte. Guten Morgen, Sir.
»Euch auch, meine Damen«, erwiderte er ebenfalls auf Gälisch.
»Morgen, Mrs. Gwilty«, sagte Roger mit seiner leisen, heiseren Stimme. »Euch auch, a nighean «, fügte er hinzu und verbeugte sich höflich vor dem Mädchen. Olanna, so hieß sie; Brianna erinnerte sich an das runde Gesicht, ganz wie das »O« am Anfang ihres Namens. Sie war Mrs. Gwiltys … Tochter? Oder ihre Nichte?
»Ach, mein Goldjunge«, gurrte das Mädchen und streckte den Finger aus, um Jems runde Wange zu berühren. Er wich ein Stückchen zurück und lutschte noch fester an seinem Daumen, während er sie unter dem Rand seiner blauen Wollmütze hervor argwöhnisch beobachtete.
Die Frauen sprachen kein Englisch, doch Brianna konnte inzwischen genug Gälisch, um der Unterhaltung zu folgen, wenn sie sich auch nicht aktiv beteiligen konnte. Mrs. Gwilty war dabei, ihre Nichte die Kunst des coronach zu lehren.
»Und ich bin mir sicher, dass Ihr Eure Sache zusammen gut machen werdet«, sagte Jamie höflich.
Mrs. Gwilty zog die Nase hoch und warf ihrer Nichte einen etwas verächtlichen Blick zu.
»Mmpfm«, sagte sie. »Eine Stimme wie ein Fledermausfurz, aber sie ist die letzte Frau aus meiner Familie, und ich werde nicht ewig leben.«
Roger stieß ein ersticktes Geräusch aus, das er hastig in überzeugendes Husten ausufern ließ. Olannas freundliches, rundes Gesicht, das schon von der Kälte rot war, bekam überall rote Flecken, doch sie sagte nichts; sie senkte nur den Blick und hüllte sich fester in ihr Schultertuch. Es war aus dunkelbraunem, handgewebtem Stoff, sah Brianna; Mrs. Gwiltys war aus feiner, schwarz gefärbter Wolle – und wenn es an den Rändern auch ein wenig ausfranste, so trug sie es doch mit der ganzen Würde ihres Berufsstandes.
»Wir teilen Eure Trauer«, sprach ihr Jamie formell sein Beileid aus. »Sie, die von uns gegangen ist -?« Er hielt taktvoll fragend inne.
»Die Schwester meines Vaters«, antwortete Mrs. Gwilty prompt. »Weh, weh, dass sie unter Fremden begraben werden soll.« Sie hatte ein hageres, unterernährtes Gesicht, dessen Haut um die Augen tief eingesunken war und aussah wie verletzt. Sie richtete diese tief liegenden Augen auf Jemmy, der den Rand seiner Mütze packte und sie sich ins Gesicht zog. Als Brianna die dunklen, bodenlosen Augen dann in ihre Richtung schweifen sah, musste sie sich zusammenreißen, um es ihm nicht gleichzutun.
»Ich hoffe – dass ihr Schatten Trost finden wird. Da – da Eure Familie hier ist«, sagte Claire stockend auf Gälisch. Mit dem englischen Akzent ihrer Mutter klang das sehr seltsam, und Brianna sah, wie sich ihr Vater auf die Unterlippe biss, um nicht zu lächeln.
»Sie wird nicht lange allein bleiben«, platzte Olanna heraus, dann fing sie Jamies Blick auf, wurde puterrot und vergrub die Nase in ihrem Schultertuch.
Diese seltsame Bemerkung schien ihren Vater nicht zu wundern, und er nickte.
»Och, so? Wer ist denn krank?« Er warf ihrer Mutter
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