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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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vorstellen, dass sie gern allein zum Sterben in Schottland geblieben wäre.«
    »Mm.« Brianna strich sich ein paar Haarsträhnen von den Wangen; sie hatte ihr Haar vor dem Einschlafen zu einem dicken Zopf geflochten, doch es war der Gefangenschaft zum Großteil entflohen und ringelte sich
in der kalten feuchten Luft um ihr Gesicht. »Meinst du, ich sollte hingehen?«
    »Ihr die letzte Ehre erweisen? Er sagt, sie haben die alte Dame schon aufgebahrt.«
    Sie schnaubte, und die weißen Atemwölkchen, die aus ihren Nasenlöchern aufstiegen, erinnerten ihn an Drachen.
    »Es kann noch nicht später als sieben Uhr sein; draußen ist es stockfinster! Und ich glaube nicht eine Sekunde lang, dass seine Frau und seine Schwester die Alte bei Kerzenlicht aufgebahrt haben. Schon, weil Hiram die Kosten für die zusätzliche Kerze scheuen würde. Nein, es ist ihm gegen den Strich gegangen, dass er dich um einen Gefallen bitten musste. Also hat er versucht, dir nahe zu legen, dass deine Frau eine faule Schlampe ist.«
    Gut beobachtet, dachte Roger belustigt – vor allem, weil sie Crombies viel sagenden Blick auf ihre liegende Gestalt ja nicht gesehen hatte.
    »Was ist eine Schlampe?«, erkundigte sich Jemmy, der sich sofort auf jedes halbwegs verboten klingende Wort stürzte.
    »Das ist eine Dame, die keine ist«, klärte ihn Roger auf. »Und eine schlechte Hausfrau dazu.«
    »Das ist eins von den Wörtern, die dir Mrs. Bug mit Seife aus dem Mund wäscht, wenn sie es dich sagen hört«, verbesserte seine Frau scharf.
    Roger war immer noch im Nachthemd, und seine Beine und Füße froren langsam ein. Auch Jem hüpfte barfuß herum, jedoch ohne das leiseste Anzeichen, dass ihm kalt war. »Mami ist keine«, sagte Roger bestimmt und nahm Jemmys Hand. »Komm, Kumpel, wir gehen pinkeln, während Mami Frühstück macht.«
    »Danke für den Vertrauensbeweis«, sagte Brianna und gähnte. »Ich bringe den Crombies nachher ein Glas Honig oder so etwas.«
    »Ich komme mit«, verkündete Jemmy prompt.
    Brianna zögerte einen Moment und sah Roger mit hochgezogenen Augenbrauen an. Jem hatte noch nie einen Toten gesehen.
    Roger zuckte mit einer Schulter. Es war ein friedlicher Tod gewesen, und der Tod gehörte nun einmal zum Leben. Er ging nicht davon aus, dass der Anblick von Mrs. Wilsons Leiche dem Kind Albträume verursachen würde – obwohl es, so wie er Jem kannte, sehr wahrscheinlich eine ganze Reihe lauter und peinlicher Fragen in aller Öffentlichkeit nach sich ziehen würde. Einige vorbereitende Erklärungen würden wohl angebracht sein, dachte er.
    »Sicher«, sagte er zu Jem. »Aber erst müssen wir nach dem Frühstück zu Opa gehen und uns von ihm eine Bibel leihen.«
     
    Er traf Jamie beim Frühstück an, und der warme Haferduft des frischen Porridges umhüllte ihn wie eine Decke, als er in die Küche trat. Bevor er sein
Anliegen vortragen konnte, hatte ihn Mrs. Bug schon mit seinem eigenen Schüsselchen an den Tisch gesetzt, dazu ein Gefäß mit Honig, einen Teller mit gebratenem Schinken, heißen Toast, von dem Butter triefte, und eine frische Tasse mit etwas Dunklem, Duftendem, das wie Kaffee aussah. Jem saß neben ihm und war schon bis zu den Ohren mit Honig und Butter beschmiert. Eine verräterische Sekunde lang fragte er sich, ob Brianna vielleicht doch etwas von einem Faulpelz hatte, wenn sie auch im Leben keine Schlampe war.
    Dann richtete er den Blick über den Tisch hinweg auf Claire, deren ungekämmtes Haar in alle Richtungen abstand und die ihn über ihren Toast hinweg verschlafen anblinzelte, und er kam großzügig zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich keine Entscheidung war, die Brianna bewusst getroffen hatte, sondern vielmehr ein genetischer Einfluss.
    Allerdings erwachte Claire prompt, als er bei Schinken und Toast erklärte, warum er hier war.
    »Die alte Mrs. Wilson?«, fragte sie interessiert. »Woran ist sie gestorben, hat Mr. Crombie das gesagt?«
    Roger schüttelte den Kopf und schluckte einen Löffel Porridge.
    »Nur, dass sie in der Nacht gestorben ist. Ich nehme an, sie haben sie tot gefunden. Eventuell das Herz – sie muss doch mindestens achtzig gewesen sein.«
    »Sie war ungefähr fünf Jahre älter als ich«, sagte Claire trocken. »Sie hat es mir erzählt.«
    »Oh. Mmpfm.« Sich zu räuspern schmerzte, und er trank einen Schluck des heißen, dunklen Getränks. Es war aus gerösteten Zichorien und Eicheln gebrüht, aber gar nicht so schlecht.
    »Ich hoffe, du hast ihr nicht gesagt, wie alt du bist,

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