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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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flachen Bändern; der Eisenzylinder, um die er diese wickeln würde, um einen Gewehrlauf herzustellen, war schon zwischen zwei Blöcken eingespannt. Jamie hielt sich sorgsam außer Reichweite der fliegenden Funken und setzte sich auf einen Eimer, um zu warten.
    Der Junge am Blasebalg war Sengas Verlobter – Heinrich. Heinrich
Strasse. Er zog den Namen zielsicher aus den Hunderten anderer Namen, die er in seinem Kopf verwahrte. Und mit ihm kam automatisch alles, was er über Heinrichs Vorgeschichte, seine Familie und seine Verbindungen wusste, die sich in seiner Vorstellung als Beziehungsgeflecht rings um das lange, verträumte Gesicht des Jungen abzeichneten, symmetrisch und komplex wie das Muster einer Schneeflocke.
    Er sah alle Menschen so, aber es wurde ihm nur selten bewusst. Strasses Gesicht jedoch hatte irgendetwas an sich, das das geistige Bild noch verstärkte – die lange Achse von Stirn, Nase und Kinn, das eine tiefe Spalte hatte und durch eine pferdeähnliche Oberlippe noch betont wurde, die kürzere Querachse, die durch die langen schmalen Augen und die flachen dunklen Brauen nicht minder scharf akzentuiert war.
    Er konnte die Herkunft des Jungen sehen – der das mittlere von neun Kindern war, aber der älteste Junge, Sohn eines dominanten Vaters und einer Mutter, die sich mit List und leiser Tücke behauptete – eine höchst delikate Anordnung auf seinem Scheitel; seine Religion – Lutheraner, aber nicht sehr devot – wie eine feine Klöppelarbeit unter seinem nicht minder spitzen Kinn; sein Verhältnis zu Robin – herzlich, aber wachsam, wie es sich für einen zukünftigen Schwiegersohn ziemte, der gleichzeitig Lehrling war – spross ihm wie eine buschige Ähre aus dem rechten Ohr, das zu Ute – eine Mischung aus Entsetzen und hilfloser Verlegenheit – aus dem linken.
    Diese Vorstellung erheiterte ihn sehr, und er war gezwungen, den Blick abzuwenden und Interesse an Robins Werkbank vorzutäuschen, um den Jungen nicht anzustarren und in Verlegenheit zu bringen.
    Der Büchsenmacher war nicht besonders ordentlich; auf der Bank lagen Holz- und Metallsplitter inmitten eines Durcheinanders aus Nägeln, Stiften, Hämmern, Holzklötzen, schmutzigen Tauen und Kohlestiften. Ein paar Papiere waren mit einem ruinierten Gewehrkolben beschwert, der bei der Fertigung entzweigesprungen war, und ihre schmutzigen Ränder flatterten im heißen Hauch des Schmiedefeuers. Er hätte sich nicht weiter darum gekümmert, wenn er den Zeichenstil nicht erkannt hätte – diese kühne und zugleich zarte Linienführung wäre ihm überall aufgefallen.
    Er erhob sich stirnrunzelnd und zog die Blätter unter dem Gewehrkolben hervor. Zeichnungen eines Gewehrs aus verschiedenen Blickwinkeln – hier ein Schnitt durch den Lauf, die Ladevorrichtung deutlich zu erkennen – aber zugleich sehr merkwürdig. Die eine Zeichnung zeigte die Waffe vollständig, eigentlich vertraut, abgesehen von den komischen, an Hörner erinnernden Auswüchsen auf dem Lauf. Aber die nächste… Das Gewehr sah aus, als hätte es jemand über seinem Knie zerbrochen; es war entzweigeschnappt, und Kolben und Lauf zeigten in entgegengesetzter Richtung zu Boden, verbunden allein durch … Was für ein Scharnier war das? Er kniff ein Auge zu und überlegte.
    Das Hämmern am Schmiedeofen verstummte, und das laute Zischen von
Metall in der Gießwanne störte ihn bei seiner faszinierten Betrachtung der Zeichnungen, so dass er aufblickte.
    »Hat dir deine Tochter diese Zeichnungen gezeigt?«, fragte Robin und wies kopfnickend auf die Blätter. Er zog seinen Hemdschoß hinter der Lederschürze hervor und wischte sich mit belustigter Miene den Dampf aus dem verschwitzten Gesicht.
    »Nein. Was will sie denn? Möchte sie, dass du ihr ein Gewehr machst?« Er überreichte dem Büchsenmacher die Blätter, und dieser sah sie durch und zog neugierig die Nase hoch.
    »Oh, das kann sie im Leben nicht bezahlen, Mac Dubh , es sei denn, Roger Mac hätte im Lauf der letzten Woche einen Goldschatz entdeckt. Nein, sie hat mir nur ein paar Ideen erzählt, wie man die Kunst der Büchsenmacherei verbessern könnte, und sich erkundigt, was es wohl kosten würde, ein solches Gewehr zu machen.« Das zynische Lächeln, das in Robins Mundwinkel gelauert hatte, verbreiterte sich zu einem Grinsen, und er schob Jamie die Blätter wieder hin. »Man merkt, dass sie deine Tochter ist, Mac Dubh . Welche andere junge Frau würde ihre Zeit damit verbringen, über Gewehre nachzudenken statt über

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