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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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eine Woche geschaufelt hatte, war Roger inzwischen nicht mehr so fest überzeugt, dass die entfernte Möglichkeit fließenden Wassers all diese Mühe wert war, doch Brianna wünschte es so – und genau wie ihrem Vater konnte man Brianna ebenfalls kaum widerstehen, auch wenn beide unterschiedliche Methoden einsetzten.
    Jamie schaufelte schnell, und während er die Erde in den Eimer beförderte, stieß er kleine Laute der Begeisterung und Bewunderung darüber aus, wie leicht und schnell es sich so graben ließ. Obwohl er selbst dieser Beschäftigung
nur wenig Freude abgewinnen konnte, war Roger stolz auf das von seiner Frau geschaffene Arbeitsgerät.
    »Erst die Streichhölzer«, sagte Jamie scherzend, »dann Spaten. Was wird sie sich wohl als Nächstes einfallen lassen.«
    »Ich wage es kaum, sie zu fragen«, sagte Roger mit einem schicksalsergebenen Unterton, der Jamie zum Lachen brachte.
    Der Eimer füllte sich, Roger hob ihn auf und entleerte ihn, während Jamie den zweiten füllte. Und ohne sich abzusprechen, arbeiteten sie so weiter; Jamie grub, Roger trug, und sie konnten kaum glauben, wie schnell sie fertig waren.
    Jamie kletterte aus der Grube und stellte sich neben Roger an den Rand. Er blickte zufrieden auf ihre Arbeit hinunter.
    »Und wenn es als Ofen nicht funktioniert«, merkte Jamie an, »kann sie es als Kartoffelkeller benutzen.«
    »Spare in der Zeit, so hast du in der Not«, pflichtete Roger ihm bei. Sie standen am Rand des Lochs und spähten hinein, und jetzt, da sie sich nicht mehr bewegten, fuhr ihnen der Wind kalt durch die feuchten Hemden.
    »Glaubst du, ihr werdet zurückgehen, du und Brianna?«, sagte Jamie. Sein Ton war so beiläufig, dass Roger ihn zuerst gar nicht verstand und erst begriff, als er das Gesicht seines Schwiegervaters sah, das jene unerschütterliche Ruhe ausstrahlte, die – wie er selbst schon schmerzlich erfahren hatte – im Allgemeinen ein starkes Gefühl überdeckte.
    »Zurück«, wiederholte er unsicher. Er meinte doch wohl nicht – aber natürlich tat er das. »Du meinst, durch die Steine?«
    Jamie nickte. Er hatte die Augen scheinbar fasziniert auf die Wände der Grube gerichtet, von denen trockene Graswurzeln in Büscheln herabhingen und aus deren feuchter Erde spitze Steinkanten ragten.
    »Ich habe darüber nachgedacht«, sagte Roger nach einer Pause. » Wir haben darüber nachgedacht. Aber…« Er verstummte, weil ihm nichts einfiel, wie er es hätte erklären können.
    Doch Jamie nickte erneut, als hätte er seine Erklärung bekommen. Roger vermutete, dass Jamie und Claire genau wie er und Brianna darüber gesprochen und das Für und Wider durchgespielt hatten. Die Gefahren der Passage – und er unterschätzte diese Gefahren nicht, schon gar nicht im Licht dessen, was Claire ihm von Donner und seinen Gefährten erzählt hatte. Was, wenn er es schaffte – und Brianna und Jemmy nicht? Er durfte gar nicht darüber nachdenken.
    Darüber hinaus, wenn sie alle die Passage überlebten, der Trennungsschmerz! Denn er musste zugeben, dass es auch für ihn schmerzvoll sein würde. Ganz gleich, welche Beschränkungen ihm hier auferlegt waren – Fraser’s Ridge war sein Zuhause.
    Dem gegenüber jedoch standen die Gefahren der Gegenwart, denn die vier Reiter der Apokalypse waren in dieser Zeit häufige Gäste, und es war
nicht schwer, aus dem Augenwinkel einen flüchtigen Blick auf Pestilenz oder Hungersnot zu erhaschen. Und der lichte Schimmel und sein Reiter tauchten unerwartet auf – und oft.
    Doch dann begriff er mit Verspätung, dass Jamie genau das gemeint hatte.
    »Du meinst wegen des Krieges.«
    »Die O’Brians«, sagte Jamie leise. »So etwas wird wieder geschehen, aye? Immer wieder.«
    Es war Frühling, nicht Herbst, doch der kalte Wind, der ihm durch die Knochen fuhr, war derselbe, der braunes und goldenes Laub über das Gesicht des kleinen Mädchens geweht hatte. Plötzlich sah Roger Jamie und sich selbst am Rand dieses gewaltigen Lochs stehen wie verwahrloste Trauernde an einem Grab. Er drehte der Grube den Rücken zu und richtete den Blick stattdessen auf das knospende Grün der Kastanienbäume.
    »Weißt du«, sagte er nach einer Minute des Schweigens, »als ich erfahren habe, was – was Claire ist, was wir alle sind, die ganze Geschichte – da dachte ich, ›wie faszinierend!‹ Tatsächlich zu sehen, wie Geschichte gemacht wird, meine ich. Wenn ich ehrlich bin, bin ich genauso sehr deswegen gekommen wie um Briannas willen. Damals, meine ich.«
    Jamie

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