Ein Hauch von Schnee und Asche
von ihnen.«
»Ich werde den Rest töten, wenn ich groß bin«, verkündete Germain. »Wenn dann noch welche übrig sind.«
»Das könnte schon sein.« Jamie schob Jem ein wenig höher und ließ Germains Hand los, um Jemmys erschlaffende Beine dicht an seinen Körper zu halten.
»Ich auch«, murmelte Jemmy, und seine Augenlider wurden schwer. »Ich töte sie auch.«
An der Weggabelung überreichte ihr Jamie ihren fest schlafenden Sohn und nahm sein Hemd wieder in Empfang. Er zog es an und strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht, als er den Kopf hindurchsteckte. Er lächelte sie an, dann beugte er sich, küsste sie sanft auf die Stirn und legte die Hand auf Jemmys runden, roten Kopf, der an ihrer Schulter lag.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er leise. »Ich werde mit Mordecai sprechen. Und mit deinem Mann. Kümmere du dich um den Kleinen hier.«
»Das hier ist etwas Persönliches« , hatte ihr Vater gesagt und damit mehr oder weniger gemeint, dass sie die Sache ruhen lassen sollte. Und vielleicht hätte sie das auch getan, wären da nicht zwei Dinge gewesen. Zum einen, dass Roger weit nach Anbruch der Dunkelheit heimgekommen war und ein Lied gepfiffen hatte, von dem er sagte, Amy McCallum hätte es ihm beigebracht. Zum anderen diese andere beiläufige Bemerkung, die ihr Vater über das Feuer auf dem Flat Rock gemacht hatte – dass es nach den Highlands roch.
Brianna hatte eine ausgezeichnete Nase, und hier roch sie Lunte. Außerdem hatte sie verspätet begriffen, wie ihr Vater darauf gekommen war. Der merkwürdige Geruch des Feuers, dieser Hauch von Arznei – es war Jod, der Geruch verbrannter Algen. In ihrer eigenen Zeit hatte sie einmal am Strand bei Ullapool ein Seetangfeuer gerochen, als sie mit Roger dort picknickte.
An der Küste gab es mit Sicherheit Seetang, und es war nicht unmöglich, das irgendjemand irgendwann etwas davon ins Landesinnere mitgebracht hatte. Es war aber auch nicht unmöglich, dass ein paar der Fischersleute Seetang aus Schottland mitgebracht hatten, so wie manche Menschen ein Glas mit Erde oder eine Hand voll Kiesel mit ins Exil nahmen, um sich an das Land zu erinnern, das sie hinter sich gelassen hatten.
Ein Zauber, hatte ihr Vater gesagt. Und das Lied, das Roger von Amy McCallum gelernt hatte, hieß » Der Deasilzauber «, sagte er.
Dies alles bedeutete noch gar nichts. Dennoch erwähnte sie das kleine Feuer und seinen Inhalt aus reiner Neugier gegenüber Mrs. Bug. Mrs. Bug wusste eine ganze Menge über Highland-Magie aller Art.
Mrs. Bug runzelte nachdenklich die Stirn über ihre Beschreibung und spitzte die Lippen.
»Knochen, sagt Ihr? Was für Knochen – waren es Tierknochen oder Menschenknochen?«
Brianna fühlte sich, als hätte ihr jemand eine Schnecke auf den Rücken gesetzt.
»Menschenknochen?«
»Oh, aye. Für manche Zaubersprüche braucht man Erde von einem Grab, wisst Ihr, und für andere Knochenstaub oder die Asche einer Leiche.« Die Erwähnung von Asche brachte Mrs. Bug offenbar auf einen Gedanken, und sie zog eine große Rührschüssel aus Keramik aus der warmen Asche des Herdfeuers und blinzelte hinein. Ein paar Tage zuvor war der Sauerteig eingegangen, und sie hatte eine Schüssel mit Mehl, Wasser und Honig aufgestellt, weil sie hoffte, auf diese Weise wilde Hefe aus der Luft einzufangen.
Die rundliche kleine Schottin blickte stirnrunzelnd auf die Schüssel, schüttelte den Kopf und stellte sie mit einem kurzen, gemurmelten Vers auf Gälisch wieder zurück. Natürlich, dachte Brianna etwas belustigt, es musste ein Gebet zum Einsammeln von Hefe geben. Welcher Schutzheilige war wohl dafür zuständig?
»Aber was Ihr gesagt habt«, sagte Mrs. Bug, die sich wieder ans Rübchenhacken machte und zum Thema zurückkam. »Dass Ihr es auf dem Flat Rock gefunden habt. Seetang, Knochen und eine Felsplatte. Das ist ein Liebeszauber. Man nennt ihn des Nordwinds Gift.«
»Was für ein überaus seltsamer Name für einen Liebeszauber«, sagte sie und starrte Mrs. Bug an. Diese lachte.
»Och, nun, ob ich mich wohl daran erinnere?«, fragte sie rhetorisch. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab, verschränkte sie ein wenig theatralisch an der Taille und rezitierte:
»Ein Liebeszauber für dich,
Wasser durch einen Strohhalm gesogen,
Die Wärme dessen, den du liebst,
Mit Liebe an dich zu ziehen.
Begib dich zeitig am Tag des Herrn,
Zum flachen Fels am Ufer
Mit dir nimm den Pestwurz
Und den Fingerhut.
Eine kleine Menge Asche
In deinem
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