Ein Hauch von Schnee und Asche
hinterlassen hatten.
Vage Visionen von Kannibalismus regten sich unangenehm in ihrer Magengrube, obwohl sie diesen Gedanken energisch von sich wies.
»Du glaubst doch nicht, dass Ian -« Sie hielt abrupt inne.
»Ian?« Ihr Vater blickte erstaunt auf. »Warum sollte Ian so etwas tun?«
»Ich glaube nicht, dass er das tun würde«, sagte sie um Vernunft bemüht. »Bestimmt nicht. Es war nur ein Gedanke – ich habe gehört, dass die Irokesen manchmal… manchmal …« Sie wies auf die verkohlten Knochen, unwillig, den Gedanken weiter auszusprechen. »Ähm … vielleicht ein Freund von Ian? Äh … zu Besuch?«
Jamies Gesicht verfinsterte sich ein wenig, doch er schüttelte den Kopf.
»Nein, das Ganze riecht nach den Highlands. Es kommt vor, dass die Irokesen ihre Feinde verbrennen. Oder sie verstümmeln. Aber nicht so.« Er wies mit dem Kinn auf die Knochen. »Das hier ist etwas Persönliches. Eine Hexe – oder einer ihrer Schamanen – würde so etwas wohl tun, aber kein Krieger.«
»Ich habe in letzter Zeit auch keine Indianer gesehen. Nicht in Fraser’s Ridge. Du?«
Er betrachtete den verbrannten Fleck noch eine Minute stirnrunzelnd, dann schüttelte er den Kopf.
»Nein, und auch niemanden, dem ein paar Finger fehlen.«
»Bist du sicher , dass es Menschenknochen sind?« Sie beäugte die Knochen erneut und suchte nach anderen Möglichkeiten. »Vielleicht von einem kleinen Bären? Oder einem großen Waschbären?«
»Vielleicht«, sagte er flach, doch sie merkte, dass er es nur ihr zuliebe sagte. Er war sich sicher.
»Mama!« Dem Tapsen nackter Füße hinter ihr auf dem Felsen folgte ein Zupfen an ihrem Ärmel. »Mama, wir haben Hunger!«
»Natürlich«, sagte sie und erhob sich, um seiner Forderung nachzukommen, während sie noch geistesabwesend die verkohlten Überreste betrachtete. »Ihr habt ja seit fast einer Stunde nichts mehr gegessen. Was habt ihr-« Ihr Blick wanderte langsam von der Feuerstelle zu ihrem Sohn, dann heftete er sich abrupt auf die beiden kleinen Jungen, die grinsend dastanden, von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt.
»Wie seht ihr denn aus!«, sagte sie, doch ihre Bestürzung wurde durch Resignation gedämpft. »Wie habt ihr es nur geschafft, euch so schmutzig zu machen?«
»Oh, das ist doch ganz einfach«, versicherte ihr Vater ihr und erhob sich grinsend. »Es lässt sich aber auch ebenso einfach beheben.« Er bückte sich, packte Germain am Rücken seines Hemdes und an der Sitzfläche seiner Hose und schleuderte ihn zielsicher von dem Felsen in das darunter liegende Wasserbecken.
»Ich auch, ich auch! Ich auch, Opa!« Jemmy tanzte aufgeregt auf und ab und versprühte Erdklumpen in sämtliche Himmelsrichtungen.
»Oh, aye. Du auch.« Jamie bückte sich, packte Jem um die Taille und warf ihn mit flatterndem Hemd hoch in die Luft, ehe Brianna aufschreien konnte.
»Er kann nicht schwimmen!«
Dieser Einwand erklang gleichzeitig mit einem lauten Klatschen, als Jem im Wasser auftraf und prompt wie ein Stein versank. Sie hechtete schon auf die Felskante zu, um ihm nachzuspringen, als ihr Vater ihr die Hand auf den Arm legte, um sie aufzuhalten.
»Warte einen Moment«, sagte er. »Woher willst du wissen, ob er schwimmt oder nicht, wenn du es ihn nicht versuchen lässt?«
Germain hielt bereits wie ein Pfeil auf das Ufer zu, sein glänzendes blondes Haar dunkel vor Nässe. Jemmy tauchte planschend und spuckend hinter ihm auf, und Germain holte erneut aus, machte kehrt wie ein Otter und schwamm an seine Seite.
»Du musst treten!«, rief er Jemmy zu und produzierte zur Demonstration eine gewaltige Fontäne. »Leg dich auf den Rücken!«
Jemmy hörte auf, mit den Armen zu wedeln, legte sich auf den Rücken und strampelte wie verrückt mit den Beinen. Sein Haar klebte ihm im Gesicht, und das Spritzwasser seiner Anstrengungen musste ihm den Rest seiner Sicht nehmen – doch er strampelte tapfer weiter, begleitet von Jamies und Germains Ermunterungsgeheul.
Das Becken maß nicht mehr als drei Meter im Durchmesser, und er erreichte das flache Wasser am anderen Ufer in wenigen Sekunden und strandete zwischen den Felsen, indem er kopfüber damit zusammenstieß. Er hielt an, schlug im flachen Wasser um sich, dann sprang er spritzend auf und schob sich das nasse Haar aus dem Gesicht. Er sah total verdattert aus.
»Ich kann schwimmen!«, rief er. »Mama, ich kann schwimmen !«
»Das ist ja wunderbar!«, rief sie, hin und her gerissen zwischen Anteilnahme an seinem ekstatischen Stolz, dem
Weitere Kostenlose Bücher