Ein Hauch von Schnee und Asche
Bedürfnis, nach Hause zu laufen und Roger davon zu erzählen – und finsteren Visionen von Jemmy, der sich von nun an achtlos in abgrundtiefe Teiche und von Felszacken durchzogene Stromschnellen stürzte, dies alles in dem unbekümmerten Irrglauben, er könne tatsächlich schwimmen. Doch er war flügge geworden, da gab es keinen Zweifel – und es gab kein Zurück.
»Komm hierher!« Sie beugte sich in seine Richtung und klatschte in die Hände. »Kannst du auch zu mir zurückschwimmen? Komm schon, komm hierher!«
Er sah sie einen Moment verständnislos an, dann betrachtete er das aufgewühlte Wasser des Beckens. Das Leuchten der Aufregung in seinem Gesicht erstarb.
»Ich weiß nicht mehr«, sagte er, und seine Mundwinkel verzogen sich nach unten, schmollend vor plötzlicher Traurigkeit. »Ich weiß nicht mehr, wie!«
»Lass dich fallen und strample mit den Beinen!«, rief Germain hilfsbereit von seinem Aussichtspunkt auf dem Felsen. »Du kannst das, Jemmy!«
Jemmy stolperte ein oder zwei Schritte ins Wasser hinein, blieb dann aber
mit zitternden Lippen stehen, weil Angst und Verwirrung ihn zu überwältigen begannen.
»Bleib da, a chuisle ! Ich komme zu dir!«, rief Jamie, der ohne Umschweife in das Becken sprang und als langer, heller Streifen unter Wasser verschwand, während Luftbläschen von seiner Hose und seinen Haaren aufstiegen. Direkt vor Jemmy tauchte er auf, holte tief Atem und schüttelte den Kopf, um sich die nassen roten Haarsträhnen aus dem Gesicht zu schütteln.
»Na, dann komm, Mann«, sagte er und machte auf Knien im flachen Wasser kehrt, so dass er Jemmy den Rücken zukehrte. »Halt dich hier an mir fest, aye? Wir schwimmen zusammen zurück.«
Und das taten sie auch, paddelnd wie die Hunde, strampelnd und spritzend, und Germain, der ins Wasser gesprungen war, um neben ihnen herzupaddeln, stimmte in Jemmys aufgeregtes Kreischen ein.
Nachdem sie sich auf den Felsen hochgezogen hatten, lagen sie alle drei klatschnass, keuchend und lachend zu ihren Füßen, und das Wasser breitete sich in Pfützen um sie aus.
»Nun, sauberer seid ihr jetzt«, sagte sie einsichtig und brachte ihren Fuß vor einem herannahenden Bächlein in Sicherheit. »Das muss ich zugeben.«
»Natürlich sind wir das.« Jamie setzte sich hin und wrang seine langen Haare aus. »Mir ist der Gedanke gekommen, dass es vielleicht einen einfacheren Weg gibt, das zu tun, was du vorhast.«
»Was ichv…oh. Du meinst das Wasser?«
»Aye, genau.« Er zog die Nase hoch und fuhr sich mit der Hand darunter hinweg. »Ich zeige es dir, wenn du nach dem Abendessen zu uns kommst.«
»Was ist das, Opa?« Jemmy, dem die Haare als rote Stacheln zu Berge standen, war aufgestanden und betrachtete neugierig Jamies Rücken. Er streckte zögernd den Finger aus und zeichnete eine der langen, geschwungenen Narben nach.
»Was? Oh … das.« Jamies Gesicht verlor für einen Moment jeden Ausdruck. »Das ist… äh …«
»Böse Männer haben Opa einmal wehgetan«, unterbrach sie bestimmt und bückte sich, um Jemmy aufzuheben. »Aber das ist lange her. Jetzt ist er wieder gesund. Du wiegst ja eine Tonne!«
»Papa sagt, Grand-père ist vielleicht ein Silkie «, merkte Germain an, während er einen interessierten Blick auf Jamies Rücken warf. »Genau wie sein Vater vor ihm. Haben dich die bösen Männer in deinem Silkie -Fell gefunden, Grand-père, und versucht, es dir abzuschneiden? Dann wäre er natürlich wieder ein Mann geworden«, erklärte er ganz sachlich, während er zu Jemmy aufblickte, »und konnte sie mit seinem Schwert töten.«
Jamie starrte Germain an. Er kniff die Augen zu, öffnete sie wieder und wischte sich noch einmal über die Nase.
»Oh«, sagte er, »aye. Ähm. Aye, ich denke, so ist es gewesen. Wenn dein Vater es sagt.«
»Was ist ein Silkie ?«, fragte Jemmy verwirrt, aber neugierig. Er wand sich in ihren Armen, weil er herunterwollte, und sie stellte ihn wieder auf den Felsen.
»Ich weiß es nicht«, gab Germain zu. »Aber er hat ein Fell. Was ist ein Silkie , Opa?«
Jamie schloss die Augen, um sie vor der sinkenden Sonne abzuschirmen, rieb sich mit der Hand über das Gesicht und schüttelte schwach den Kopf. Brianna hatte das Gefühl, dass er lächelte, konnte es aber nicht mit Sicherheit sagen.
»Äh, nun gut«, sagte er. Er setzte sich aufrecht hin, öffnete die Augen und warf sein nasses Haar zurück. »Ein Silkie ist ein Wesen, das an Land ein Mensch ist, im Meer aber ein Seehund wird. Und ein Seehund«,
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