Ein Hauch von Schnee und Asche
»Was du mir über Hendersons Landkauf in Tennessee erzählt hast; wenn ihn niemand aufhält, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich irgendjemand in der Regierung so aufregt, dass er versucht, uns zu vertreiben. Und bestimmt nicht, wenn nur bekannt wird, dass du dich mit den Whigs vor Ort getroffen hast, oder?«
Er lächelte mich schwach und ironisch an.
»Es ist nicht die Regierung, die mir Sorgen macht, Sassenach. Es sind die Leute hier in der Gegend. Es war ja nicht der Gouverneur, der die O’Brians gehängt und ihr Haus niedergebrannt hat, aye? Und es war auch nicht Richard Brown und auch keine Indianer. Dabei ist es nicht um das Gesetz oder um Profit gegangen; es ist aus Hass geschehen, wahrscheinlich durch jemanden, der sie kannte.«
Jetzt huschte mir ein sehr viel deutlicherer Schauer über den Rücken. Es
stimmte zwar, dass es in Fraser’s Ridge ein gewisses Maß an politischen Unstimmigkeiten und Disputen gab, aber es war noch nicht so weit, dass die Leute deswegen handgreiflich wurden, von Brandschatzung und Mord ganz zu schweigen.
Doch es würde so weit kommen.
Ich konnte mich zu gut daran erinnern. Luftschutzräume und Lebensmittelmarken, Verdunklungswarte und das Gefühl, gegen einen schrecklichen Feind zusammenzuarbeiten. Und die Geschichten aus Deutschland, aus Frankreich. Menschen, die angezeigt wurden, bei der SS denunziert und aus ihren Häusern gezerrt wurden – während man andere in Speicherzimmern und Scheunen versteckte oder über die Grenze schmuggelte.
Im Krieg stellten Regierungen und ihre Armeen zwar eine Bedrohung dar, aber sehr oft waren es die Nachbarn, die einen Menschen ins Verderben stürzten oder ihn retteten.
»Wer?«, sagte ich geradeheraus.
»Ich könnte raten«, sagte er achselzuckend. »Die McGillivrays? Richard Brown? Hodgepiles Freunde – falls er welche hatte? Die Freunde eines der anderen Männer, die wir umgebracht haben? Der Indianer, dem du begegnet bist – Donner? -, falls er noch lebt? Neil Forbes? Er trägt Brianna etwas nach, und sie und Roger Mac täten gut daran, das nicht zu vergessen. Hiram Crombie und Konsorten?«
»Hiram?«, sagte ich zweifelnd. »Zugegeben, er mag dich nicht besonders – und was mich angeht -, aber…«
»Nun, ich bezweifle es ebenfalls«, räumte er ein. »Aber möglich ist es, aye? Seine Leute hatten schon nichts für die Jakobiten übrig; sie werden bestimmt genauso wenig begeistert sein, wenn jemand von dieser Seite des Ozeans aus versucht, den König zu stürzen.«
Ich nickte. Crombie und der Rest waren mit Sicherheit gezwungen worden, einen Treueeid auf den König zu schwören, bevor man ihnen erlaubte, nach Amerika zu fahren. Jamie hatte denselben Eid geschworen – schwören müssen -, als man ihn begnadigte. Und musste ihn brechen – weil ihn die Umstände dazu zwangen. Doch wann?
Er hatte aufgehört, mit den Fingern auf den Tisch zu trommeln; sie lagen vor ihm auf dem Brief.
»Ich verlasse mich darauf, dass du Recht hast, Sassenach«, sagte er.
»In Bezug auf was? Auf das, was geschehen wird? Du weißt, dass ich Recht habe«, sagte ich ein wenig überrascht. »Brianna und Roger haben es dir doch bestätigt. Wieso?«
Er fuhr sich langsam mit der Hand durch das Haar.
»Ich habe noch nie aus Prinzip zu den Waffen gegriffen«, sagte er nachdenklich und schüttelte den Kopf. »Nur aus Notwendigkeit. Ich frage mich, ob das nun besser wäre?«
Er klang nicht verstört; nur auf eine neutrale Weise interessiert. Dennoch fand ich das irgendwie bestürzend.
»Aber diesmal geht es doch ums Prinzip«, wandte ich ein. »Möglicherweise könnte dies sogar der erste Krieg werden, bei dem es um Prinzipien geht.«
»Nicht um Profanitäten wie Land oder Handelsvorteile?«, meinte Jamie und zog eine Augenbraue hoch.
»Ich behaupte ja nicht, dass Land und Handelsvorteile nicht ebenfalls eine Rolle spielen«, erwiderte ich und fragte mich, wie ich es fertig gebracht hatte, zur Advokatin der amerikanischen Revolution zu werden – einer historischen Periode, die ich nur aus Briannas Geschichtsbüchern kannte. »Aber es geht doch weit darüber hinaus, meinst du nicht? Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit. «
»Wer hat das gesagt?«, fragte er neugierig.
»Thomas Jefferson wird es sagen – als Vertreter der neuen Republik. Man
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