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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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war eine lebende Legende unter den Highland-Schotten, und ihre kürzliche Ankunft in den Kolonien sorgte für große Aufregung. Sie hatte sich sogar bis Fraser’s Ridge herumgesprochen. Jeder prominente Schotte im Tal des Cape Fear – und eine ganze Reihe aus entfernteren Gegenden – würde bei dem Empfang zu ihren Ehren zugegen sein. Es gab keinen besseren Ort, um die Nachricht zu verbreiten, dass ein junger Mann vermisst wurde.
    Er blickte überrascht zu mir auf.
    »Natürlich werde ich das, Sassenach. Wofür hältst du mich?«
    »Für einen überaus gütigen Menschen«, sagte ich und küsste ihn auf die Stirn. »Wenn auch ein wenig waghalsig. Und wie ich sehe, hast du es sorgsam vermieden, Lord John mitzuteilen, wozu du dreißig Musketen brauchst.«
    Er prustete auf und fegte vorsichtig die Sandkörner vom Tisch in seine Hand.
    »Ich weiß es doch selbst noch nicht genau, Sassenach.«
    »Was in aller Welt meinst du denn damit?«, fragte ich überrascht. »Hast du nicht vor, sie Bird zu geben?«
    Er antwortete nicht sogleich, doch die beiden steifen Finger seiner rechten Hand klopften sacht auf die Tischplatte. Dann zuckte er mit den Achseln, griff nach dem Stapel seiner Unterlagen und Geschäftsbücher und zog ein Papier heraus, das er mir reichte. Ein Brief von John Ashe, der während des Regulatorenkriegs ebenfalls eine Miliz befehligt hatte.
    »Der vierte Absatz«, sagte er, als er sah, wie ich stirnrunzelnd eine Schilderung der jüngsten Unstimmigkeiten zwischen dem Gouverneur und der Versammlung las. Ich ließ den Blick gehorsam zum Fuß der Seite schweifen und erschauerte ahnungsvoll, als ich die Stelle sah, auf die er zeigte.
    »›Ein Kontinentalkongress wird vorgeschlagen‹«, las ich, »›zu dem jede Kolonie Delegierte entsenden soll. Das Unterhaus der Versammlung von Connecticut hat bereits die Initiative ergriffen und mit Hilfe von Korrespondenzkomitees solche Männer vorgeschlagen. Einige Herren, mit denen Ihr gut bekannt seid, schlagen vor, dass North Carolina diesem Beispiel folgt, und werden sich Mitte August zu diesem Zweck treffen. Ich wünschte, Ihr würdet Euch uns anschließen, Freund, denn ich bin fest überzeugt, dass Euer Herz und Eure Überzeugungen in dieser Sache der Freiheit auf unserer Seite sein müssen. Ein Mann wie Ihr ist doch kein Freund der Tyrannei?‹«
    »Einige Herren, mit denen du gut bekannt bist«, wiederholte ich. »Weißt du, wen er meint?«
    »Ich könnte raten.«
    »Mitte August, sagt er. Meinst du, es wird vor dem Empfang sein oder hinterher?«
    »Hinterher. Einer der anderen hat mir das Datum der Zusammenkunft geschickt. Sie soll in Halifax stattfinden.«

    Ich legte den Brief nieder. Der Nachmittag war windstill und heiß, und der dünne Leinenstoff meines Hemdes war feucht, genau wie meine Handflächen.
    »Einer der anderen«, erwiderte ich. Er warf mir einen raschen Blick zu, lächelte und ergriff den Brief.
    »Aus dem Korrespondenzkomitee.«
    »Oh, natürlich«, sagte ich. »Du hättest es mir sagen können.« Natürlich hatte er einen Weg gefunden, sich in das Korrespondenzkomitee North Carolinas einzuschleichen; das Zentrum der politischen Intrige, wo die Saat der Rebellion ausgesät wurde – während er gleichzeitig für die britische Krone das Amt des Indianeragenten ausübte und nach außen hin daran arbeitete, die Indianer zu bewaffnen, um genau jene Saat der Rebellion im Keim zu ersticken.
    »Ich sage es dir ja, Sassenach«, sagte er. »Dies ist das erste Mal, dass sie mich einladen, mich mit ihnen zu treffen, selbst inoffiziell.«
    »Ich verstehe«, entgegnete ich leise. »Wirst du hingehen? Ist es – ist es Zeit?« Zeit, den Sprung zu wagen, sich offen als Whig zu bekennen, wenn auch noch nicht als Rebell. Zeit, öffentlich die Seiten zu wechseln und es zu riskieren, dass man ihn als Verräter brandmarkte. Erneut.
    Er seufzte tief und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er hatte angestrengt nachgedacht; er hatte mehrere Wirbel, deren kürzere Haare jetzt zu Berge standen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Es sind noch zwei Jahre, nicht wahr? Der vierte Juli 1776 – das hat Brianna gesagt.«
    »Nein«, sagte ich. »Es sind noch zwei Jahre bis zur Erklärung der Unabhängigkeit – aber, Jamie, dann haben die Kämpfe längst begonnen. Dann ist es viel zu spät.«
    Er starrte auf die Briefe auf dem Tisch und nickte müde.
    »Aye, dann muss es bald sein.«
    »Wahrscheinlich ist es ja nicht allzu gefährlich«, sagte ich zögernd.

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