Ein Hauch von Schnee und Asche
konnten die Steine nicht hören.« Er hob ein wenig den Kopf und fixierte Brianna. »Kannst du es?«
Sie nickte mit gerunzelter Stirn.
»Aber du glaubst, es gab noch mehr… Reisende… als dich und deine Freunde?«
Donner zuckte hilflos mit den Achseln.
»Ich hatte den Eindruck, ja. Aber Raymond hat gesagt, es könnten immer nur fünf auf einmal passieren. Also haben wir in, na ja, Zellen zu fünft trainiert. Wir haben es geheim gehalten; keiner in der großen Gruppe wusste, wer reisen konnte und wer nicht, und Raymond war der Einzige, der sie alle kannte.«
Ich musste einfach fragen.
»Wie sah dieser Raymond aus?« Seit ich diesen Namen zum ersten Mal gehört hatte, regte sich ein Gedanke in meinem Hinterkopf.
Donner kniff die Augen zu und öffnete sie wieder. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet.
»Oh, keine Ahnung«, sagte er hilflos. »Nicht sehr groß. Weiße Haare, die trug er lang, genau wie wir alle.« Er fuhr sich zur Demonstration durch seine verknoteten Locken und runzelte die Stirn, während er in seinen Erinnerungen grub.
»Mit einer ziemlich… breiten… Stirn?« Ich wusste, dass ich ihm keine Anhaltspunkte geben sollte, aber ich konnte es nicht lassen und mir fuhr zur Demonstration selbst mit beiden Zeigefingern über die Stirn.
Ein paar Sekunden lang starrte er mich verwirrt an.
»Mann, ich weiß es nicht mehr«, sagte er und schüttelte hilflos den Kopf. »Es ist schon so lange her. Wie soll ich mich an so etwas erinnern?«
Ich seufzte.
»Nun, erzähl mir, was passiert ist, als ihr durch die Steine gekommen seid.«
Donner leckte sich über die Lippen und blinzelte vor Anstrengung, während er sich zu erinnern versuchte. Ich sah, dass es nicht nur angeborene Dummheit war; er dachte nicht gern darüber nach.
»Ja. Tja, wir waren zu fünft, wie ich gesagt habe. Ich und Rob und Jeremy und Atta. Oh, und Jojo. Wir sind auf der Insel angekommen, und -«
»Welche Insel?«, sagten Brianna, Ian und ich im Chor.
»Ocracoke«, sagte er mit überraschter Miene. »Das ist das nördlichste Portal im Bermudadreieck. Wir wollten so dicht wie möglich an den -«
»Das Ber-«, setzten Brianna und ich an, brachen dann aber ab und sahen uns gegenseitig an.
»Du weißt, wo sich mehrere dieser Portale befinden?«, sagte ich, um Ruhe bemüht.
»Wie viele gibt es denn?«, fiel Brianna ein, ohne seine Antwort abzuwarten.
Die Antwort fiel sowieso verworren aus – was nicht überraschend kam. Raymond hatte ihnen gesagt, dass es auf der ganzen Welt viele solcher Stellen gab, aber dass sie meistens in Gruppen vorkamen. Es gab eine solche Gruppe in der Karibik, eine andere im Nordosten an der kanadischen Grenze. Eine in der südwestlichen Wüste – Arizona, so glaubte er, bis hinunter nach Mexiko. Nordbritannien und die französische Küste bis hin zur Spitze der iberischen Halbinsel. Wahrscheinlich noch mehr, aber das waren alle, die er erwähnt hatte.
Nicht alle Portale waren mit Steinkreisen markiert, doch dort, wo schon seit langem Menschen lebten, waren sie es meistens.
»Raymond hat gesagt, sie sind sicherer«, sagte er achselzuckend. »Keine Ahnung, wieso.«
Die Stelle auf Ocracoke war nicht von einem vollständigen Steinkreis umrahmt. Doch auch sie war markiert. Vier Steine, sagte er. Einer davon trug Markierungen, von denen Raymond sagte, sie wären afrikanisch – Sklaven hätten sie angebracht. »Die Stelle hat mit Wasser zu tun – es läuft ein kleiner Bach hindurch, meine ich. Ray sagt, er wüsste nicht, ob das Wasser einen Unterschied ausmacht, aber er glaubte es schon. Doch wir wussten nicht, was für einen Unterschied. Wisst ihr etwas davon?«
Brianna und ich schüttelten mit großen Augen die Köpfe wie zwei Eulen. Die Falten auf Ians sowieso schon gerunzelter Stirn vertieften sich noch. Hatte er während seiner Zeit bei Geillis Duncan etwas gehört?
Die fünf – und Raymond – waren so weit wie möglich gefahren; die Straße, die durch die Outer Banks führte, war schlecht und wurde oft durch Stürme fortgespült, und sie hatten den Wagen mehrere Meilen von der Stelle entfernt stehen lassen müssen und sich dann durch die Krüppelkiefern des Küstenwaldes und durch unerwarteten Treibsand kämpfen müssen. Es war Spätherbst -
»Samhain«, sagte Brianna leise, so leise, dass Donner nicht in seinem Erzählfluss gestört wurde.
Spätherbst, sagte er, und das Wetter war schlecht. Es regnete schon seit Tagen, und das Terrain war schwierig, abwechselnd rutschig und sumpfig. Es
Weitere Kostenlose Bücher