Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
schön, doch ich konnte einfach das ganze Instrument nach jedem Gebrauch sterilisieren.
    Doktor Fentimans Spritze hatte eine ziemlich dicke, stumpfe Nadelspitze. Es würde notwendig sein, sie zu erhitzen und die Spitzen länger zu ziehen, um sie zu verschmälern. Doch das konnte jeder Idiot mit einer Esse, dachte ich. Dann musste die Messingspitze schräg abgeschnitten und so glatt gefeilt werden, dass sie Haut sauber durchbohrte… ein Kinderspiel, dachte ich fröhlich und wäre den sandigen Gehsteig am liebsten entlanggehüpft. Jetzt brauchte ich nur noch einen ordentlichen Vorrat an Chinarinde.
    Meine Hoffnung, diese zu erwerben, zerschlug sich jedoch in dem Moment, in dem ich in die Hauptstraße einbog und Mr. Bogues’ Apotheke erblickte. Die Tür stand offen, so dass die Fliegen freien Zugang hatten, und der normalerweise makellose Laden war von einer solchen Menge schmutziger Fußspuren entstellt, dass es aussah, als sei eine feindliche Armee darüber hergefallen.
    Dieser Eindruck von Raub und Plünderung wurde durch die Szene im Inneren noch verstärkt; die meisten Wandregale waren leer und mit den Überresten getrockneter Blätter oder zerbrochener Keramikgefäße übersät. Miranda, die zehnjährige Tochter der Bogues’, hielt traurig Wache bei einer kleinen Sammlung von Gläsern und Flaschen und einem leeren Schildkrötenpanzer.
    »Miranda!«, sagte ich. »Was ist denn hier passiert?«

    Ihr Gesicht erhellte sich bei meinem Anblick, und ihr nach unten verzogener Mund drehte sich kurz nach oben.
    »Mrs. Fraser! Braucht Ihr vielleicht Andorn? Wir haben noch fast ein Pfund übrig – und er ist billig, nur drei Farthing für die Unze.«
    »Ich nehme eine Unze«, sagte ich, obwohl ich eigentlich genug davon in meinem Garten hatte. »Wo sind denn deine Eltern?«
    Ihr Mund verzog sich wieder nach unten, und ihre Unterlippe zitterte.
    »Mama ist hinten im Haus und packt. Und Papa ist bei Mr. Raintree, um ihm Jack zu verkaufen.«
    Jack war das Zugpferd des Apothekers und Mirandas besonderer Liebling. Ich biss mir auf die Lippe.
    »Mr. Raintree ist ein sehr gütiger Mensch«, sagte ich, um sie irgendwie zu trösten. »Und er hat eine schöne Weide für seine Pferde und einen warmen Stall; ich glaube, Jack wäre glücklich bei ihm. Und Freunde wird er auch haben.«
    Sie nickte mit verkniffenem Mund, doch ihr entwischten zwei dicke Tränen und rollten ihr über die Wangen.
    Ich vergewisserte mich mit einem raschen Blick, dass niemand in den Laden kam, und umrundete die Theke, setzte mich auf ein umgedrehtes Fass und nahm sie auf meinen Schoß, wo sie sich sofort in Tränen auflöste. Sie klammerte sich an mich und weinte, obwohl sie sich sichtlich darum bemühte, dass man sie in den Wohnräumen hinter der Apotheke nicht hören konnte.
    Ich tätschelte sie mit leisen, beruhigenden Geräuschen und spürte unterdessen eine Beklommenheit, die weit über das bloße Mitgefühl mit dem Mädchen hinausging. Die Bogues waren eindeutig im Begriff, ihr Hab und Gut zu verkaufen. Warum?
    Da ich nur so selten den Berg herunterkam, hatte ich keine Ahnung, welche politische Gesinnung Ralston Bogues in diesen Tagen hegte. Er war kein Schotte und war daher nicht bei dem Empfang zu Flora MacDonalds Ehren gewesen. Doch sein Geschäft war stets gut gegangen, und den Kleidern der Kinder nach – Miranda und ihre beiden kleinen Brüder hatten immer Schuhe – lebte die Familie nicht schlecht. Die Bogues hatten mindestens so lange hier gewohnt, wie Miranda lebte, wahrscheinlich sogar länger. Dass sie auf diese Weise ihre Zelte abbrachen, bedeutete, dass etwas Ernstes vorgefallen war – oder kurz bevorstand.
    »Weißt du, wohin ihr geht?«, fragte ich Miranda, die jetzt auf meinem Knie saß, ihre Nase hochzog und sich das Gesicht an meiner Schürze abwischte. »Vielleicht kann dir Mr. Raintree ja schreiben und dir sagen, wie es Jack geht.«
    Bei diesen Worten wurde ihre Miene ein wenig hoffnungsvoller.
    »Meint Ihr, er kann einen Brief nach England schicken? Das ist furchtbar weit weg.«

    England? Es war ernst.
    »Oh, ich glaube schon«, sagte ich und steckte ihr die Haarsträhnchen wieder unter die Haube. »Mr. Fraser schreibt jeden Abend einen Brief an seine Schwester in Schottland – und das ist noch viel weiter fort als England!«
    »Oh. Gut.« Mit glücklicherem Gesicht kletterte sie von meinem Schoß und strich sich ihr Kleid glatt. »Glaubt Ihr, ich kann Jack auch schreiben?«
    »Mr. Raintree liest ihm den Brief bestimmt vor,

Weitere Kostenlose Bücher